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Das Geiseldrama

Das Geiseldrama

Titel: Das Geiseldrama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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getrunken hatten.
    „Ich habe nachgedacht, Erwin.
Du mußt den Terroristen ihr Geld zurückgeben. Damit sie dich in Ruhe lassen.
Ich verstecke dich — wenn du nicht bereit bist, dich der Polizei zu stellen.
Doch gerade das wäre das Beste. Vielleicht könnte man Haftverschonung erwirken
— aufgrund deines Zustandes.“
    Er hob die Achseln. Dann dachte
er daran, daß im Hauptbahnhof jeden Moment die Bombe explodieren würde — oder
schon explodiert war. Er schüttelte den Kopf.
    „Dazu ist es nun zu spät.“
    „Jedenfalls mußt du dich von
dem Geld trennen. Ich verdiene nicht viel. Aber es reicht für uns beide.“
    Sein Seufzen klang mehr wie ein
Stöhnen. Statt einer Erwiderung griff er nach Ellys Glas, um es ihr zu reichen.
Seine zitternde Hand stieß es um.
    Bevor sie ausweichen konnte,
ergoß sich der Champagner über ihren Rock.
    Das Glas fiel zu Boden und
zerbrach — dünnstielig, wie Champagnergläser nun mal sind.
    „Ach, macht das Flecke?“
    Sie tupfte an ihrem Kostümrock
herum.
    „Weiß nicht.“ Er grinste. „Auf
so hellem Stoff vielleicht.“
    „Ich wasche es aus.“
    Während er das zerbrochene Glas
in den Papierkorb warf, trat sie ins Bad. Sie schloß die Tür hinter sich, zog
ihren Rock aus und reinigte den Champagnerfleck mit klarem Wasser. Dann
trocknete sie sich die Hände.
    Durch die geschlossene Tür
hörte sie, wie Erwin vor sich hinsummte.
    Unglaublich, wie er sich hielt!
Bis zum letzten Moment würde er seine Krankheit nicht zur Kenntnis nehmen. Er
war ein seltsamer Mensch, immer schon gewesen: voller Widersprüche und im
Grunde ein armer Hund, dem das Schicksal keine Chance gegeben hatte.
    Sie klappte ihre Handtasche
auf, während der Rock trocknete, und erneuerte ihr Make-up.
    Als sie Lidschatten auftrug,
wurde an die Zimmertür geklopft. Erwin öffnete. Dann war eisiges Schweigen
nebenan.
    „Da staunst du“, sagte eine
rauhe Männerstimme. „Aber so bin ich nun mal, Erwin. Unberechenbar. Du
dachtest, ich sei inzwischen Konfetti, wie. Oder Hackfleisch. Aber deine Bombe
hat versagt, mein Freund. Was Versager basteln, versagt meistens. Das gilt
besonders für dich. Außerdem hätte es nicht mich getroffen, sondern einen
Mitmenschen, den ich vorgeschickt habe. Schlau, was?“
    Erwins Stimme war ohne
Hoffnung.
    „Ich habe versucht, mich zu
wehren, Schorbach. Und nun?“
    „Zieh deine Jacke an. Diesmal
kommst du mit. Du, mein Lieber, öffnest das andere Fach.“
    „Warum?“
    „Einem kranken Gehirn wie dir
ist alles zuzutrauen, Roland. Vielleicht ist auch in dem Fach ‘ne Bombe. Bei
dir bin ich vorsichtig. Einer wie du füllt sämtliche Schließfächer mit Bomben
und vergräbt das Geld im Wald.“
    Elly hielt den Atem an. Sie
fühlte Todesangst. Sie begriff nicht alles, aber genug, um zu wissen, wie es
jetzt um Erwin stand. Was würde passieren, wenn dieser Schorbach ins Bad
blickte?
    „Ich gebe auf“, murmelte Erwin.
„Du hast gewonnen. Ihr habt gewonnen. Für mich ist das Geld verloren. Und auch
für meine Schwester. Jetzt ist es mir auch egal, ob ich meine letzten Tage in
Freiheit oder hinter Gittern verbringe. Deshalb wünschte ich, der Bahnhof wäre
voller Bullen. Damit wir auffliegen, Schorbach. Du und ich.“
    Schorbach feixte. „Es sind aber
keine Bullen da. Im übrigen habe ich ein Messer in der Tasche. Wenn du Zicken
machst, steche ich dich ab. Blitzschnell geht das, und ich verschwinde im
Getümmel. Außerdem würden wir uns an dein Schwesterchen halten. Die hätte es
auszubaden, wenn du jetzt verrückt spielst.“
    Elly hörte, wie die beiden das
Zimmer verließen.
    Sie schlüpfte in ihren Rock,
schlich hinüber und zur Tür. Sie horchte. Niemand war auf dem Flur.
    Sie griff zum Telefon.
    „Polizei-Präsidium“, sagte eine
Männerstimme, nachdem sie gewählt hatte.
    Sie holte tief Luft. „Ich habe
eine Meldung zu machen...“

4.
Schließfach 97
     
    „Polizei-Präsidium“, sagte eine
Männerstimme.
    „Hier ist Gaby Glockner“, rief
Pfote aufgeregt in den Hörer. „Bitte, verbinden Sie mich mit meinem Vater.
Schnell! Es geht um Sekunden.“
    In der Telefonzelle am Ende der
Mönchsgasse dampfte es. Das lag an Klößchen. Er war mitgerannt, hatte sich zu
Gaby und Karl in die Kabine gequetscht und wischte jetzt mit dem karierten
Hemdsärmel über das schweißnasse Gesicht.
    Alle drei waren aufgeregt. Karl
polierte seine Brille. Gaby bewegte sich wie ein Fohlen, warf den Kopf hoch und
die Haare zurück und hopste von einem Fuß auf den andern.

    „Ja,

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