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Das Geiseldrama

Das Geiseldrama

Titel: Das Geiseldrama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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die Idee kommt, auch die Straße nach Herchenau abzuriegeln. Und
du bleibst am Telefon, wie verabredet. Vielleicht kann ich Kontakt zu dir
aufnehmen. Schließlich kenne ich mich besser aus in unserer Penne als dieses
Gelichter. Jeden Winkel kenne ich — und noch ein paar mehr, die nicht mal der
Mandl kennt.“
    Karl grinste. „Hals- und
Beinbruch!“
    Tarzan machte das Siegeszeichen
und zischte ab. Er fuhr wie ein Sechs-Tage-Profi, sauste durch zwei Wohnviertel
am Stadtrand, folgte dann der Landstaße und beschleunigte, tief über den Lenker
geduckt, das Tempo.
    Die Straße führte in einer
Entfernung von etwa anderthalb Kilometern an der Schule vorbei, südwärts. Aber
Feldwege kreuzten. Tarzan sah landwirtschaftliche Fahrzeuge: Traktoren, die mit
Anhängern querfeldein rumpelten.
    Daß die Terroristen Wachen
aufgestellt hatten, war klar. Sie würden jeden mit Argwohn beobachten, der sich
dem Schulgelände näherte. Kahle Flächen machten ein Anpirschen nahezu
unmöglich.
    Trotzdem wollte er’s versuchen.
Aber wie?
    Als er auf gleicher Höhe mit
der Schule war und sein Rad nur noch im Freilauf rollte, sah er den Heuwagen.
    Zwei Rösser zogen ihn. Ein
Bauer hielt die Zügel. Es war ein Dicker mit rotem Gesicht und komischen Hut.
Am Hut erkannte er den Mann. Gesehen hatte er ihn schon oft. Der Bauer
bewirtschaftete die Felder und Wiesen links der Zubringerstraße — links: vom
Internat aus gesehen. Jetzt zockelte sein Heuwagen über den Feldweg.
    Die Richtung stimmte. Knapp vor
dem Schulgelände mündete der Weg auf die Zubringerstraße. Der Heuwagen war hoch
beladen. Mit Heu, selbstverständlich. Oben drauf steckte eine Heugabel. Eine
Heuharke hing daneben.
    Tarzan zögerte keine Sekunde.
Er sprang ab, schob sein Rad in ein Gebüsch, sicherte es — vorsichtshalber —
mit dem Kabelschloß, nahm die Beine in die Hand und rannte dem Heuwagen nach,
der inzwischen etwas Vorsprung hatte.
    Hinten sprang er auf. Hastig
wühlte er sich in das getrocknete Gras. Der Bauer hatte nichts bemerkt. Er
schnalzte, um die Pferde anzutreiben. Tarzan wühlte sich tiefer. Das Heu
duftete — fast so stark wie das Rasierwasser mit Heuduft-Aroma, das einige
Pauker benutzten. Halme kitzelten ihn. Er machte es sich bequem und ließ sich
kutschieren.
    Minuten verstrichen. Als er
nach vorn lugte, war die Umfriedung des Schulgeländes nur noch 200 Meter
entfernt.
    Er machte sich bereit.
    Jetzt rumpelte der Heuwagen an
einem Gebüsch vorbei.
    Tarzan hechtete hinein. Zweige
fingen ihn auf. Mit dem Unterarm schützte er Augen und Gesicht, mit der freien
Hand teilte er die Zweige. Dann kauerte er zwischen grünen Blättern, versteckt
wie ein Feldhase, und horchte auf das Knirschen der Räder. Der Heuwagen
entfernte sich. Die Rösser schnaubten. Der Bauer schnalzte. Dann rollten die
Räder über asphaltierten Boden. Der Wagen war auf der Straße und bewegte sich
stadtwärts.

    Tarzan beobachtete. Beim Tor
und entlang der Mauer konnte er niemanden entdecken. Aber er ließ sich Zeit.
Sein Blick suchte. Wo steckte der Wachposten?
    Wo würde ich ihn postieren?
überlegte er. Natürlich auf dem Dach des Hauptgebäudes. Denn von dort...
    Im selben Moment sah er ihn.
    Der Kerl hockte an einem der
Kamine, hatte ein Fernglas vor dem Gesicht und spähte zur Stadt hinüber.
    Tarzan spurtete los, erreichte
die Mauer, war im toten Winkel, kletterte hinüber, nutzte ab hier jede Deckung
und befand sich hinter einer Ecke, als er die Frau sah.
    Er erkannte sie sofort.
    Francesca Oliviri kam aus dem
Hauptgebäude. Sie hielt eine Pistolein der Hand, schob sie aber jetzt in die
Tasche ihrer unschönen Jacke. Sie überquerte den Hof und stieg in den VW-Bus.
Die Tür fiel zu. Aber der Wagen bewegte sich nicht. Das linke Fenster war
geöffnet.
    Tarzan hörte, wie sie redete.
Geduckt rannte er hinter den Wagen. Er kauerte sich nieder und preßte das Ohr
an die Heckwand.
    „...hier Heuschrecke“, hörte er
ihre Stimme. „Achtung, Wühlmaus! Hörst du mich?“
    Die Wühlmaus antwortete. Aber
das war unverständlich für ihn, war reiner Äthersalat. Immerhin war jetzt klar:
Francesca Oliviri hatte Sprechfunkverbindung mit irgendwelchen Komplicen.
    Er spitzte die Ohren.
    „Achtung, Wühlmaus! Änderung!
Die Flugdrossel muß eher kommen. Morgen früh, fünf Uhr. Ja, Sonntagfrüh.
Landeplatz Pisa bleibt. Ja, wir sind rechtzeitig da. Ist ja nicht weit von
hier. Kommen in zwei Fahrzeugen. Kranker an Bord. Ende.“
    Hm.
    Er hörte das Knacken, als sie
das Sprechfunkgerät

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