Das Geld - 18
Vertrauen bestärken würden.
Es war also wahr, denkt Saccard während des Gesprächs mit den Beauvilliers, daß er damit einen Hebel in der Hand hatte, »dessen Gebrauch ihm erlauben sollte, die Welt aus den Angeln zu heben«. Doch Saccards Kunden sind nicht besser als er selbst. »Er hatte die ganze vornehme Welt der Spekulanten auf seiner Seite, die so schöne Gewinne einheimsten, seitdem sie Geld aus ihrem Glauben schlugen.«
Mit frappierender Offenheit läßt Zola in der glänzenden Szene mit Jantrou und Huret im Büro der »Espérance« Saccard seine Karten aufdecken. Saccards schöne Reden über die politische Linie des Blattes, die Verteidigung der nationalen Interessen und der höchsten religiösen Werte markieren nur taktische Winkelzüge, die schließlich auf die schlichte Forderung nach einem brauchbaren Börsentip hinauslaufen. Die Ironie, mit der Zola diese ganze Szene behandelt hat, läßt keinen Zweifel an seiner eigenen Wertung der vorgebrachten Argumente und der Haltung Saccards. Und in diesem Licht relativieren sich auch die antisemitischen Ausfälle des Direktors der Universelle gegen Gundermann. In Zolas Darstellung zerstört Saccard selbst durch seine Haltung und seine Reden die Fabel von dem Kampf zwischen der »jüdischen« und der »katholischen« Bank.
Aber Zola korrigiert nicht nur in diesem Punkt die unterlegte Interpretation des dramatischen Konflikts der kämpfenden Parteien, sondern auch durch die unmittelbare Charakterisierung ihrer beiden Protagonisten.
Zola hat Gundermann mit einer Reihe sympathischer Züge ausgestattet. Gundermann ist persönlich ein bescheidener Mensch, ein unermüdlicher Arbeiter, er gönnt sich keine Ruhe, er kennt keine Vergnügungen, selbst gutes Essen ist ihm versagt, da er magenkrank ist, er liebt seine Familie, seine Kinder, seine Söhne, seine vielen Enkelkinder. Ihnen kauft er Süßigkeiten, sie dürfen in seinem Geschäftszimmer, in diesem Allerheiligsten, in dem sich Kunden und Geschäftspartner vom frühen Morgen an die Tür in die Hand geben, spielen, lärmen, ihn stören. Sein ganzer Lebensstil macht ihn gleichsam zu einem desinteressierten Sachwalter seines riesigen Vermögens, nicht zu einem egoistischen Spieler. Er riskiert nicht skrupellos das Kapital seiner Kunden wie Saccard, er fordert ihn auch nicht zum Kampf heraus, sondern er greift erst ein, als Saccards unsinnige Haussespekulationen ihn selbst bedrohen und die Börsenentwicklung eine Gefahr für die gesamte Hochfinanz bedeutet.
Ganz anders Saccard. Er will Macht, er will Geld, er will Genuß, er kennt keine Skrupel. All die schlechten Eigenschaften und Absichten, die er Gundermann in seinen antisemitischen Tiraden anzulasten sucht, erweisen sich in seinen unmittelbar darauffolgenden Handlungen oder Reden als seine eigenen. Zwar zittern ihm einen Augenblick lang die Knie, als vor seinem geistigen Auge bei der Niederlage in der großen Börsenschlacht die Vision all der ruinierten Kleinaktionäre auftaucht, all dieser Dejoies und ihresgleichen, aber auch der Maugendres, der Beauvilliers – aber eben nur einen Augenblick. Er hat ihr Geld ohne Bedenken aufs Spiel gesetzt, und das Schlußgespräch mit Frau Caroline zeigt, daß er mit der gleichen Rücksichtslosigkeit das gleiche Spiel von vorn beginnen würde, wenn er noch einmal die Möglichkeit dazu hätte. Wenn es um seinen Profit geht, kennt er weder Freunde noch Verwandte, er würde alles verkaufen, Weib, Kind, Familie, wie er es in der »Beute« getan hatte. Maxime kennt ihn. Er läßt Caroline keine Illusion in dem Gespräch, das er mit ihr über seinen Vater führt. »Nun sah sie Saccard so, wie er war, sah diese verwüstete, in ihrer Zersetzung so dunkle, fragwürdige Seele eines Geldmannes … Er hatte seinen Sohn verkauft, seine Frau verkauft, alle verkauft, die ihm unter die Hände gekommen waren; er hatte sich selbst verkauft, und er würde auch sie verkaufen, er würde ihren Bruder verkaufen, würde aus ihren Herzen und Hirnen Geld schlagen. Er war nur noch ein Geldmacher, der die Dinge und Menschen in die Schmelze warft, um daraus Geld zu schlagen.«
Von Saccards Charakteranlage her erscheint deshalb auch der Zusammenbruch seiner Bank in erster Linie als das Verlieren eines leidenschaftlichen Spielers. Mehrfach in Saccards Eigenbild, aber auch in seinem Fremdbild aus dem Munde Gundermanns erscheint er als ein Opfer seiner eigenen Leidenschaft, die ihn mit sich fortreißt, jedes Maß vergessen läßt und schließlich ins
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