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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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vermögenden, geschäftigen Leute, an den Reichtum und den Stolz allenthalben.
    »Wie kann der weiße Mann Mißerfolg haben?« fragte sie.
    »Es steht so geschrieben«, gab Sheng zurück.
    Sie verzog den einen Mundwinkel. »Ich bin nicht abergläubisch«, sagte sie. »Für mich muß es einen besseren Grund geben als die Prophezeiung eines alten Wahrsagers, der in einem schmutzigen Kleid an einer Straßenecke sitzt. Hat dein General jemals mit einem Weißen gesprochen – ist er jemals in jenen Ländern gewesen?«
    »Ich weiß nicht. Ich frage ihn nie.«
    »Woher hat er dann sein Wissen?«
    »Er hat sie hier auf unserem eigenen Boden getroffen«, teilte Sheng ihr mit. Er blies die letzten grünen Fetzchen von seinen Händen, und dann saß er mit verschränkten Fingern da. Jetzt blickte er sie beim Sprechen an, aber sie wußte, daß er nicht an sie dachte. Er dachte an seine eigenen Worte und deren Bedeutung.
    »Mein General hat den Hochmut der Weißen in Schanghai gesehen, und er hat sie in den Landteilen gesehen, die sie unseren Vorfahren weggenommen und zu ihren eigenen Städten gemacht haben. Er sagt, daß sie uns von jeher als ihre Wachhunde betrachtet haben, und er sagt, wo immer sie unter den uns nahen Völkern gelebt haben, die sie beherrschten, da haben sie sich wie Hunde gehalten. Diese Völker aber werden sich jetzt sogar mit dem Feind vereinen, den sie hassen, weil sie mehr als den Feind den Hochmut des weißen Mannes hassen, der sie und ihr Ahnen geringgeschätzt hat.«
    Dies hörte Mayli an, ohne es zu verstehen. Wie konnte sie es verstehen, da sie ihr ganzes Leben in einem Lande verbracht hatte, wo alle freundlich zu ihr gewesen waren? Ihr Vater hatte in der Hauptstadt eine hervorragende Stellung eingenommen, und sie war seine Tochter, und wenn die Bürger der Stadt die Schwarzen, die ihnen dienten, geringschätzten, so besagte dies doch nicht etwa, daß auch sie von ihnen geringgeschätzt wurde?
    »Das Volk von Mei schätzt uns nicht gering«, widersprach sie. »Es sieht nur auf die Schwarzen herab.«
    »Wir gehen ja auch nicht nach Burma, um mit dem Volk von Mei zu kämpfen«, berichtigte Sheng. »Dort herrscht das Volk von Ying, und das Volk von Ying wird von jenen Völkern gehaßt.«
    »Der Unterschied zwischen den Menschen von Mei und denen von Ying ist nicht groß«, erklärte Mayli.
    »Wenn das wahr ist«, sagte Sheng, »so hättest du mir keine schlimmere Neuigkeit mitteilen können.« Sie schwieg, biß sich auf die rote Lippe und überlegte, was sie entgegnen sollte. »Vielleicht hat es überhaupt keine Bedeutung, ob wir beliebt sind oder nicht«, äußerte sie dann. »Vielleicht brauchen wir nichts anderes zu kennen als die Stärke der Völker, die gegen unseren Feind sind. Wenn das Volk von Ying gegen die Japaner ist, dann müssen wir mit ihm sein.«
    »Falls wir mit ihm gewinnen können«, wandte er ernst ein.
    »Wer vermag die Völker von Ying und Mei zusammen zu besiegen?« rief sie. Sie erinnerte sich wieder der Fabriken, des unerbittlichen Räderwerks in den Fabriken, der entsetzlichen Genauigkeit des Räderwerks, das Eisen und Stahl formte, als ob es Holz und Papier wäre.
    »Die Zwerge haben bis jetzt gesiegt«, sagte Sheng mit leiser Stimme. »Vergiß nicht – die Zwerge haben sie überrumpelt. Gewiß, jedermann kann sich einmal überrumpeln lassen. Aber am gleichen Tag, wenige Stunden später, wurden sie auf den Inseln im Süden abermals überrumpelt. Flügel neben Flügel saßen ihre fliegenden Schiffe auf dem Boden, und wieder zerstörten die Zwerge sie. Es genügt nicht, nur stark zu sein! Man muß auch klug sein.«
    Er erhob sich in plötzlicher Ungeduld und breitete seine langen Arme aus. »Schau mich an!« befahl er ihr. »Sieh dies große Stück Fleisch und Knochen, das ich bin! Genügt es, daß ich groß bin? Genügt es, daß ich einen Eisenstab mit meinen beiden Händen biegen kann? Wenn ich ein Dummkopf bin, nützt mir dann all diese Größe und Stärke etwas? Nein, ich muß hier Klugheit haben!« Dabei tippte er an seinen großen Schädel.
    Sie antwortete nicht. Statt dessen blickte sie zu ihm auf, wie er da über ihr gegen den Himmel stand, und sie war erfüllt von der Empfindung seiner Macht. Wie oft hatte sie sich gefragt, ob dieser Mann wohl Macht in sich trage! War er nicht mächtig? Sie erbebte, und sie fühlte ihr Blut durch den Körper in ihr Gesicht steigen. Er ließ die Arme sinken und stand da, zu ihr niederschauend; sie erhob sich rasch und wich seitwärts

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