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Das Gelübde einer Sterbenden

Das Gelübde einer Sterbenden

Titel: Das Gelübde einer Sterbenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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mehr mit Liebesgedanken. Die vernarbte Wunde hinterließ nur eine dumpfe Schwere in ihm. Er hielt sich für geheilt.
    Nun kehrte allmählich auch der Thätigkeitsdrang zurück. Wenigstens begann er auf dem felsigen Gestade herumzuklettern und so die trägen, steifen Glieder wieder geschmeidig zu machen. Dann wurden alle die Gedanken, in denen sich ehedem sein Geist zu bewegen pflegte, wieder rege. Er schrieb an Georg und fragte, was in Paris jetzt vorgehe; wagte aber nicht, von dem Meere fortzugehen, das ihn so wirksam gegen die Verzweiflung geschützt hatte.
    Der neue Lebenssaft, der in ihm emporquoll, ließ ihm endlich keine Ruhe mehr und trieb ihn an, seinen wieder entfachten Mut zu betätigen. Er wollte wieder kämpfen und leiden, lieben und trauern. Nun das Fieber seine Energie nicht mehr abstumpfte, verdroß ihn seine Unthätigkeit, sehnte er sich in das Leben zurückzutreten, auf die Gefahr hin, abermals zu unterliegen.
    Eines Morgens vernahm er in dem traumhaften Zustande, der dem Erwachen vorangeht eine wohlbekannte, matte und ferne Stimme, die zu ihm redete: »Wenn sie einen schlechten Mann heiratet, werden Sie viel Energie zu ihrem Schutze aufbieten müssen. Denn wenn eine Frau sich vereinsamt fühlt, braucht sie sehr viel Willenskraft, um nicht auf Abwege zu geraten. Was also auch geschehen mag, lassen Sie sie nicht im Stich!«
    Am nächsten Tage reiste Daniel nach Paris mit dem Vorsatze, seine Aufgabe zu vollenden und beseelt von felsenfestem Mute, von grenzenloser Hoffnungsfreudigkeit.
     

 
XII.
    In Paris angelangt, begab sich Daniel zu Georg.
    »Was?« Du bist’s!« rief sein Freund, der ihn nicht erwartet hatte. Er empfing ihn wie einen verlorenen Sohn, mit tausenderlei Freundschaftsbezeigungen und inniger Freude.
    Ihn auszufragen wagte er jedoch nicht, aus Furcht von einer baldigen, neuen Trennung hören zu müssen. Aber Daniel beschwichtigte dergleichen Besorgnisse, indem er ihm ankündigte, daß er an dem gemeinschaftlichen Werk mit ihm weiter arbeiten wolle. Das gemütliche Leben, das sie früher geführt hatten, sollte also seinen Fortgang haben.
    Während der Rückreise hatte sich Daniel reiflich überlegt, welches Verfahren er behufs Erreichung seines Zieles einschlagen solle. Daß er jetzt die unterbrochene Arbeit wieder aufnehmen wollte, gehörte zu dem Plan, den er sich ausgedacht hatte und der sich wieder auf Jeanne bezog. Er hatte ihr, als er es für nötig hielt, die Wissenschaft und die Zukunft, die ihm winkte, geopfert, war bescheiden und demütig geworden. Jetzt, wo die Umstände sich verändert hatten, durfte er nicht mehr ein simpler Schreiber bleiben, mußte er sich zu einer höheren Lebensstellung empor arbeiten, berühmt werden, sich den Zutritt zu den Salons der besseren Gesellschaft erzwingen. Daher die wiedererwachte Liebe zur Arbeit die ihm nur ein Mittel zum Zweck sein sollte.
    Georg und er machten sich also mit Feuereifer an’s Werk und übersandten bald der Akademie mehrere Abhandlungen, mit denen sie die Aufmerksamkeit der gelehrten Welt auf sich zogen.
    Jetzt fand sich auch Daniel bereit, der ehemaligen Anonymität zu entsagen, so daß von nun an sein Name stets mit dem seines schon berühmten Freundes genannt wurde. Endlich gedieh so das große Werk, an dem sie so lange gearbeitet hatten, zum Abschluß und machte gleich bei seiner Veröffentlichung so großes Aufsehen, daß sogar, was bei wissenschaftlichen Werken selten geschieht, in den Salons der höhern Gesellschaft davon gesprochen wurde. Hatte doch Daniel, der die endgültige Abschaffung übernommen, seine ganze Seele hineingelegt.
    Nun sie den Gipfel des Ruhmes erklommen hatten, wurden die beiden Gelehrten überall mit besonderer Zuvorkommenheit aufgenommen, ein Erfolg, der auf sie sehr verschieden einwirkte. Georg, der ein seit langer Zeit erstrebtes Ziel endlich erreicht hatte, schwamm in Seligkeit, während Daniel sich den Ruhm nur als etwas Notwendiges gefallen ließ, sich sozusagen nur einer Pflicht unterzog, die ihn innerlich kalt ließ.
    Eines Tages nahm ihn Georg zu einer Soiree mit, die eine hochgestellte Persönlichkeit gab. Daniel begleitete ihn, weil eine innere Ahnung ihn dazu trieb.
    Die erste Dame, auf die beim Eintritt in den Salon sein Blick fiel, war Jeanne am Arme Lorins. Er war ihr erst ein- oder zweimal seit seiner Rückkehr begegnet und machte sich Sorgen, weil sie etwas Gedrücktes in ihrem Wesen hatte. Sie lachte nicht mehr so leicht wie früher, scherzte und spottete nicht; das

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