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Das Gelübde einer Sterbenden

Das Gelübde einer Sterbenden

Titel: Das Gelübde einer Sterbenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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fortfahren sollte. Daniel unterdessen war wie vernichtet und starrte sie regungslos an.
    »Ich betrachte Sie als meinen Bruder,« sagte sie langsamer, »und deshalb spreche ich offen mit Ihnen. Ihr Freund hat gestern wieder an mich geschrieben. Er darf das nicht mehr thun, denn Briefe sind jetzt überflüssig. Wie gesagt, ich weiß Alles; das Spiel würde gefährlich und lächerlich werden. Sagen Sie also Ihrem Freunde, er solle kommen, und kommen Sie mit.« Was ihr Mund noch nicht gesagt hatte, gestanden ihre Augen: Jeanne liebte Georg.
    Daniel, dessen Blut zu Eis erstarrt war, überkam plötzlich eine unheimliche Ruhe. Ihm war zu Mute, als wäre seine Seele davon gegangen und als fahre der Leib noch fort zu leben. Mit vollständig ruhiger Stimme sprach er mit Jeanne über Georg und versprach er, die gewünschte brüderliche Vermittelung zu übernehmen.
    Dann stand er auf der Straße und dann war er zu Hause. Da erwachte das tierische Element in seinem Innern, und es erfolgte ein fürchterlicher Anfall von wahnsinniger Verzweiflung. Daniels Sinne empörten sich endlich, sein Herz wollte nichts von Aufopferung wissen. Er konnte sich nicht darein finden, daß er so bei Seite gesetzt werden sollte. Wenn er immer zurückgetreten war, sich immer im Hintergründe gehalten, sich immer zum Schweigen verurteilt hatte, so schwebte ihm noch immer die Hoffnung auf eine Belohnung vor; so stark, sich wieder aufzuopfern, wieder zu schweigen, fühlte er sich nicht.
    Also einer so lächerlichen Selbsttäuschung hatte er sich hingeben können! Er schlug eine höhnische Lache auf, so schämte er sich. Monate lang hatte er sich egoistisch über eine Liebe gefreut, die ihm nicht gehörte, hatte Jeanne angestarrt und siehe da, Jeanne dachte an einen Andern. Er sah sich im Geiste wieder in dem kleinen blauen Salon, wie er ihr Gesicht studirte, ihre zärtlichen Blicke, ihr liebreiches Lächeln auf sich bezog; er erinnerte sich seiner Verzückungen, seiner Hoffnungen seiner gränzenlosen Vertrauensseligkeit.
    Eine Lüge, ein grausames Spiel, eine gräßliche Täuschung war alles gewesen! Die zärtlichen Blicke, das liebreiche Lächeln galt Georg; ihn liebte Jeanne; durch ihn war sie lieb und gut. »So viel ich mich auch umgesehen habe, so lauteten ihre Worte, ich habe keinen gefunden, der solche Briefe schreiben und mich so lieben könnte.« Also er, Daniel, existirte nicht; er figurirte bloß als einfacher Statist. Seine Hingebung, seine Liebe machte sich jetzt ein Andrer zu Nutze; man bestahl ihn und es blieb ihm nichts, gar nichts — als Thränen und Verlassenheit.
    Und Jeanne suchte sich noch gar ihn aus, um ihre Liebe zu bekennen, beauftragte ihn, sie einem Andern zuzuführen! Selbst dieses Leid, dieser Hohn blieb ihm nicht erspart. Sie glaubte also, ein so unansehnlicher, so unbedeutender Mensch habe keine Herz. Sie bediente sich seiner wie einer nützlichen Maschine und ahnte nicht, daß solch eine Maschine für eigne Rechnung leben und lieben könnte!
    Also sollte er nie lieben dürfen mehr, nie geliebt werden. Denn an Frau von Rionne dachte er nicht im entferntesten.
    Er war seiner Rolle überdrüssig. Immer blos Bruder, nie Geliebter: Um diesen Punkt schwirrten alle seine Gedanken.
    Die Krise währte lange. Der Schlag war zu heftig, zu unvermutet gefallen. Nie wäre es Daniel in den Sinn gekommen, daß Georg und Jeanne sich verbünden könnten, ihm solches Weh anzuthun. Er hatte Niemand anders auf der Welt, den er liebte, als sie, und nun marterten sie ihn so gräßlich. Wie glücklich war er noch Tags zuvor gewesen! Das verflossene Jahr hatte ihm die einzigen Freuden gebracht, die ihm auf dieser Welt beschieden waren. Und jetzt traf ihn solch ein fürchterlicher Stoß, und die Hände, die ihn in den Abgrund stießen, waren Georg’s und Jeanne’s Hände!
    Ab und zu beruhigte er sich etwas, dann aber schluchzte er wieder los, oder es tauchten grimmige, verbrecherische Gedanken in seinem Hirn auf. Er fragte sich dann, wie er sich rächen sollte. Die wütende Bestie in ihm drehte sich um sich selber und sah sich nach einem Opfer um.
    Dann schämte er sich wieder seiner Wut, sank gebrochen zusammen, weinte mildere Thränen. Der Sinnenmensch in ihm schwieg, und er konnte die langsamen, melancholichen Schläge seines Herzens hören, das leise klagte und warten mußte, bis das Blut und die Nerven sich ausgetobt hatten.
    Nun zog er die Gardine zu, weil das Tageslicht ihm weh that, und starrte, regungslos, in die Dunkelheit hinein. Die

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