Roarke - der Abenteurer (German Edition)
1. KAPITEL
E s war Mardi Gras, Karneval in New Orleans. Die ganze Stadt war auf den Beinen und feierte. In dieser ausgelassenen Stimmung war ein Toter in ihrem Hotelzimmer das Letzte, was Daria Shea erwartet hatte.
Zuerst merkte sie nicht einmal, dass er tot war.
“Sie haben sich verspätet”, warf sie dem Mann vor, der in dem Sessel am Fenster zum Hof saß. Daria legte die Handtasche und eine Einkaufstüte auf den Tisch. “Wir sollten beim Essen arbeiten. Ich habe uns Sandwiches besorgt.”
Bestimmt schwieg er, weil er nicht einverstanden war. Damit hatte sie schon gerechnet. Und wie üblich ging sie prompt in die Defensive.
“Da draußen ist die Hölle los. Selbst wenn wir irgendwo in der Stadt einen freien Tisch gefunden hätten, wären wir nicht ungestört gewesen.”
Noch immer sagte er nichts, sondern starrte sie nur stumm wie eine der handbemalten Kokosnüsse an, die beim Umzug vom Zulu–Wagen in die Menge geworfen wurden. Nahm er ihr übel, dass sie ihn bei der Ankunft aus Washington nicht erwartet hatte? Er war schließlich derjenige, der sich verspätet hatte. Gereizt holte sie zwei Flaschen aus der Tüte – Mineralwasser für sich und Bier für ihn.
“Hat Ihre Mutter Ihnen nie gesagt, dass man nicht schmollen soll?” Als sie noch immer keine Antwort erhielt, wurde ihr mulmig. “Martin? Das ist wirklich nicht komisch.” Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, während sie langsam zu ihm ging, und ihr Herz schlug schneller. “Martin, was ist denn?”
Sobald sie Bundesanwalt Martin Fletcher an der Schulter berührte, kippte er nach vorne und fiel auf den Fußboden.
Daria presste die Hand auf den Mund, um nicht laut loszuschreien, packte ihre Handtasche und ergriff die Flucht.
Die Blue Bayou Lounge im Whitfield Palace Hotel von New Orleans erinnerte Roarke an die Barszene aus dem Film “Krieg der Sterne”. Eine über zwei Meter große Marie Antoinette mit gepuderter Perücke und großem Adamsapfel unterhielt sich angeregt mit einem Mann, der sich als Riesen–Kondom verkleidet hatte, und einer üppigen Rothaarigen in BH und knappen Shorts, die bis über die Knie reichende Stiefel und eine Peitsche trug, alles aus schwarzem Leder. Jeder Sado–Maso–Anhänger wäre bei ihrem Anblick in Verzückung geraten.
Ein Mann in einem Trikot aus Silberlamee mit riesigen Flügeln und einem glitzernden Heiligenschein tanzte mit einer Nonne. Am Rand der winzigen Tanzfläche verglichen drei Bodybuilder ihre schwellenden Muskelpakete.
“Ich liebe Mardi Gras, Sie auch?” fragte eine Frau.
Roarke drehte sich zögernd zu dem neuen Gast um, der sich auf den frei gewordenen Barhocker neben ihm gesetzt hatte. Hätte er Einsamkeit gesucht, hätte er nicht ausgerechnet während des Mardi Gras nach New Orleans heimkehren dürfen.
“Unvergleichlich”, bestätigte er.
Die Blondine trug unter dem durchsichtigen Minikleid nur einen silbernen Tanga. Nicht einmal der Anblick ihrer sagenhaften, offenbar chirurgisch vergrößerten Brüste löste bei Roarke auch nur die geringste Reaktion aus. Vielleicht hatte sein Chef beim Fernsehen doch Recht gehabt, als er ihm vorwarf, zeimlich ausgebrannt zu sein.
“Wie bitte?” fragte er, als er merkte, dass die Blondine noch etwas gesagt hatte.
“Ich habe gefragt, ob Sie aus New Orleans sind.”
Bevor Roarke antworten konnte, dass er mit der Zeit alle Wurzeln verloren hatte, lief eine Brünette in einem hautengen schwarzen Katzenkostüm und einer Halbmaske auf ihn zu, schlang die Arme um seinen Nacken und küsste ihn mitten auf den Mund.
Ihre Lippen waren so weich, und sie duftete so gut, dass Roarke ein leichtes Verlangen verspürte. Ihr Verhalten überraschte ihn nicht. Da hatte er während des Mardi Gras schon Verrückteres erlebt. Also legte er die Hände auf ihre schlanke Taille und wollte die Fremde näher zu sich heranziehen.
“Wo warst du denn, Darling?” fragte sie und wich zurück. “Ich habe Jan und Harvey versprochen, dass wir sie im Perunia’s zum Abendessen treffen. Wir hätten schon vor einer halben Stunde dort sein sollen. Ich will jetzt unbedingt eine Riesenportion Shrimp Creole, und du kennst mich. Ich erwarte, dass man mir jeden Wunsch erfüllt.”
Wegen der Maske konnte er ihr Gesicht nicht erkennen, doch ihre Augen hinter den Sehschlitzen der Maske funkelten leidenschaftlich, als sie ihn förmlich vom Barhocker zog.
“Ich habe keine Ahnung, wer Jan und Harvey sind”, antwortete Roarke, während sie ihn durch die Menschenmenge
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