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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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etwas übertrieben war. Die schweren Gewitterwolken, die sich vor die sinkende Abendsonne geschoben hatten, tauchten die Welt in trübes Dämmerlicht, und der strömende Regen machte die Sicht nicht besser.
    Der Uhrzeit und den Witterungsbedingungen entsprechend, war die Handelsstraße vollständig verwaist. Kein einsamer Wanderer, kein Motorradbote und kein fahrender Händler ließ sich blicken. Jonan konnte das nachvollziehen. Jeder, der halbwegs bei klarem Verstand war, suchte sich einen Unterschlupf und blieb dort bis zum Morgen. Was gab es denn hier draußen, so tief in der Wildnis, für das es sich lohnte, durch Wind und Regen zu eilen?
    Dennoch musste jemand auf diesem Kutschbock sitzen und frierend die Landschaft im Blick behalten. Genau genommen war Jonan sogar nur einer von zwei Wachposten. Am anderen Ende ihres Lagers saß Giraud, möglicherweise in Gesellschaft von Seyfried, und hielt den Blick gen Südosten gerichtet. Sie mussten vorsichtig sein. Mustards Karawane war auffällig und groß genug, um Banden auf dumme Ideen zu bringen – etwa die, spätabends im Schutze eines Unwetters einen Überfall zu unternehmen.
    Jonan rutschte auf dem gepolsterten Sitz des Kutschbocks hin und her. Zum wiederholten Male hob er sein Gewehr, setzte es an die Schulter und warf einen Blick durch die Restlichtverstärkeroptik. Er musste aufpassen, dass er dabei nicht in einen der in unregelmäßigen Abständen über den Himmel zuckenden Blitze schaute. Die plötzliche Helligkeit machte sich schmerzhaft grell in der Optik bemerkbar, die den abrupten Wechsel nicht zu kompensieren vermochte.
    Leider verbesserte sich seine Sicht dadurch kaum. Der heftige Regen sorgte für ein konstantes Rauschen, das wie ein Vorhang vor dem grünstichigen Falschfarbenbild hing. Mit zusammengekniffenen Augen schwenkte er den Lauf der Waffe und damit auch die Optik von links nach rechts, dem breiten, dunklen Band folgend, das die Straße markierte. Nirgendwo regte sich etwas. Zufrieden senkte er das Gewehr wieder.
    Über ihm teilte ein Blitz den Himmel, und Donner krachte. Ein kalter Windhauch fuhr um die Lastkutsche herum und trieb Jonan Regen ins Gesicht. Er duckte sich etwas tiefer in den Kutschersitz und zog am Kragen seiner Lederjacke. »Verfluchtes Wetter«, murmelte er. »Warum musste Iannides ausgerechnet heute Nacht krank werden?«
    Er griff nach der Trinkflasche, die neben ihm zwischen den Sitzen klemmte, schraubte den Metalldeckel ab und nahm einen Schluck vom Inhalt. Es handelte sich um Kräutertee, irgendeine Mischung, die ihm Anebell, Iannides’ Frau, zum Dank dafür aufgebrüht hatte, dass er die Wache ihres Mannes übernahm. Jonan hatte keine Ahnung, wo sie die Kräuter herhatte. Irgendwie schmeckte der Tee ein wenig bitter und hätte einen Löffel Honig gut vertragen können. Doch solchen Luxus gab es hier nicht. Jonan verzog das Gesicht, nahm aber noch einen weiteren Schluck. Immerhin war der Tee warm.
    In diesem Moment fiel ihm etwas am Horizont auf, wo die Handelsstraße in einer weiten Schleife über den Rücken einer flachen Hügelkette verschwand. Er blinzelte und wischte sich den Regen aus den Augen. Hatte er sich den Lichtfleck nur eingebildet?
    Nein! Da war er wieder. Es waren sogar mehrere Flecken. Und sie bewegten sich so schnell, wie es nur motorisierte Fahrzeuge vermochten. Ein Adrenalinstoß jagte durch Jonans Körper, und er richtete sich auf. Konnte das eine Motorradbande sein?
    Er hob das Sturmgewehr und legte das rechte Auge an das Okular der Lichtverstärkeroptik. Die Landschaft nahm erneut einen kränklichen Grünton an. Er suchte die Straße und aktivierte die Vergrößerung, um die Lichtflecken besser erkennen zu können.
    In diesem Augenblick krachte ein Blitz über den Hügeln, und Jonan riss mit einem Fluchen das Nachtsichtzielfernrohr von den Augen. Helle Punkte flimmerten vor seinem rechten Auge und machten es ihm unmöglich, die Lichter, die er zuvor auf der Straße gesehen hatte, zu erkennen. Doch das änderte nichts daran, dass sich ihnen jemand näherte. Und zwar so schnell, dass er binnen weniger Minuten bei ihnen sein musste.
    Jonan kam in Bewegung. Er quetschte sich an den Überresten des Rahmens vorbei, die früher die Fahrerkabine des Lastwagens gebildet hatten, und sprang mitten in eine Wasserlache, die neben der Kutsche entstanden war. Ohne darauf zu achten, rannte er, das Sturmgewehr an die Brust gedrückt, zu der großen Lastkutsche hinüber, die Ibrahem Mustard gehörte. »Mustard!«,

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