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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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seine rechte Hand Dursema, die alle anderen dazu aufforderten, ihre Sachen in die Kutschen zu packen und die Planen zu schließen.
    Eine untersetzte Gestalt tauchte neben ihrem Wagen auf. Es war Mustard. Der braun gebrannte Händler mit dem struppigen schwarzen Haar und dem erstaunlich gepflegten Bart warf ihr aus dunklen Augen einen leicht gehetzt wirkenden Blick zu. »Carya, ich muss die Plane zumachen«, sagte er. »Der Sturm wird stärker, und Regen naht.« Er sprach auf Francianisch mit ihr, aber es lag ein hörbarer Akzent in seinen Worten. Mustard bezeichnete sich selbst als Bürger der ganzen Welt, aber Carya vermutete, dass er ursprünglich aus den Wüstenstaaten südlich des Mittleren Meeres stammte.
    »Kann ich irgendwie helfen?«, wollte Carya wissen.
    Mustard winkte ab. »Nein, nein, ich mache das schon. Bleib sitzen. Alles ist gut.«
    »Wo sind Jonan und Pitlit?«
    »Ich glaube, sie räumen ihr Werkzeug weg. Sie haben zusammen mit Miral ihre Waffen gereinigt.« Bevor Carya ihn noch länger mit irgendwelchen Fragen aufhalten konnte, schlug der Händler die Plane vor.
    Sofort wurde es im Laderaum der Lastkutsche deutlich dunkler und enger. Carya erhob sich, um zu der Laterne hinüberzugehen, die auf einer Metalltonne auf der anderen Seite des Laderaums stand. Sie zog ein paar Streichhölzer aus der Hosentasche und entzündete sie. Der niedrige Docht erzeugte nur eine kleine Flamme, deren Lichtkreis arg begrenzt war, aber es genügte, um den Brief beenden zu können.
    Schließlich fanden mich Jonan und Pitlit wieder, was eigentlich ein Grund zur Freude gewesen wäre. Stattdessen wurde alles nur noch viel komplizierter. Jonan legte sich mit dem Sohn des Mondkaisers an, dem Prinzen Alexandre, der irgendwie ein Auge auf mich geworfen hatte. Dafür wurde Jonan eingekerkert. Als ich mich bei Botschafter Cartagena um seine Befreiung bemühen wollte, wurde plötzlich ich hintergangen und eingesperrt. Offenbar wollte sich die Versprochene Alexandres an mir rächen. Es war alles ein schreckliches Durcheinander.
    Carya war sich der Tatsache bewusst, dass diese Darstellung der Ereignisse sehr oberflächlich war. Aber sie konnte ihren Eltern gewisse Details einfach nicht verraten. Beispielsweise mussten sie nicht unbedingt erfahren, dass Carya sich auf eine fatale und – wie sie im Nachhinein erfahren hatte – nicht ganz freiwillige Affäre mit dem Prinzen Alexandre eingelassen hatte. Und sie war auch noch nicht bereit, ihnen davon zu erzählen, dass Magister Milan einer ihrer Väter gewesen war, einer der Männer, die sie, Carya, geschaffen hatten.
    Sie hob die linke Hand und betrachtete gedankenverloren ihre Finger. Sie sahen so echt aus. So menschlich. Und doch war sie eine Künstliche, gezeugt und gereift in einem Labor, um intriganten Männern wie Cartagena als Erfüllungsgehilfin für ihre fragwürdigen Pläne zu dienen. Sie hatte Milan für Cartagena ermordet, und beinahe hätte sie auch den Mondkaiser selbst erschossen. Glücklicherweise war ihr diese grausame Tat erspart geblieben. Es war ihr gelungen, sich gegen die Konditionierung aufzulehnen und ihren eigenen Willen zurückzuerlangen. Seitdem fühlte sie sich nicht mehr ganz so hilflos, doch das änderte nichts daran, dass sie einfach nicht fassen konnte, eine Invitro zu sein.
    Der Donner draußen wurde noch lauter, und kräftige Windböen peitschten auf die Plane des Wagens ein. Carya war wirklich froh, dass sie Mustard getroffen hatten. Bei so einem Wetter wollte sie nicht mitten in der Wildnis unter einem Strauch sitzen.
    Seufzend richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf das bislang Geschriebene. Sie fragte sich, wie sie den Brief abschließen sollte.
Aber am Ende wurde doch alles gut
, formulierte sie in Gedanken.
Cartagena fand seine gerechte Strafe, der Mondkaiser begnadigte uns, und Jonan und Pitlit wurden für ihren Mut sogar mit jeweils einem Beutel Silber belohnt.
Würden ihre Eltern ihr das abnehmen? Es klang beinahe zu schön, um wahr zu sein.
    Vielleicht sollte sie es noch vager halten:
Doch es gelang uns, aus Château Lune zu entkommen, und nun sind wir – mit einigen Antworten, aber noch immer vielen Fragen im Gepäck – wieder unterwegs. Ich hoffe, unsere Reise dauert nicht mehr lange, und wir können uns bald wiedersehen.
Ich vermisse euch sehr. Betet für uns, so wie ich für euch bete. Liebe Grüße …
    Ja, das klang doch eigentlich ganz gut. Carya setzte gerade den Stift an, um diese Gedanken zu Papier zu bringen, als ein

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