Das Gesamtwerk
unendlich liebender Hingabe der gütigen Sonne zugeneigt. O Natur, freie und allgewaltige, bist Du der Gott – die Göttin – die ich suchte? Bist Du die Erfüllung der Dinge, die sich in einer Blume dem Irrenden offenbart? All, bist du der Gott?
Anbetend hatten meine Knie sich vor der Blume gebeugt und alles Häßliche versank nun vor mir und eine unendliche Schönheit tat sich mir auf – der Tod war voll Auferstehung und Linderung, das Leid voller Lächeln und das Glück ohne Ende. O Unendlichkeit des Seins in Dir, Blume Gottes. In Dir fand ich den Sinn und das verlorene Leben! – Wie die unberührte Seele eines Mädchens zitterte die Blume leise vor meinem Atem – und ich erkannte in ihr die Allmacht der Liebe und fand heim in das Leben, das ich verloren. Und ich fragte nicht mehr nach Gott, denn ich fand ihn in der Blume – in einer Blume, die morgen schon welkte, aber tausend und abertausend werden wieder blühen in der ewigen Liebe der Sonne von dem großen, unbekannten Gott geküßt und vom Hauch des unendlichen Alls gekost – durfte ich nun noch zweifeln und klagen?
Die Blume blühte, lebte und starb. Ich aber betete vor ihr. – So war mein Traum.
Fahrt zu dem Töpfer Grimm
Wir wollen wieder da gehen, wo die Kastanien lagen. Wie Igel lagen sie und innen war alles Mahagoni.
Wir wollen wieder durch die Vorstadt gehen. Da machen die Pferde manchmal einen leisen Schritt zwischendurch, weil soviel Gras zwischen den Steinen ist. Und die Leute gehen unter Bäumen, die tief herunterhängen und sie sehen, daß wir fremd sind. Wir kommen uns auch sehr fremd vor. Wie verreist. Dabei hört man leise die Stadt.
Ich möchte wieder um eine Ecke biegen. Nicht um eine Häuserecke. Nein, wie damals. Um eine Gartenecke. Die Straße war überraschend krumm und dörflich. Das Haus war viel kleiner und längst nicht so grau wie unseres. Und ringsum war der Garten. Da mußte man um die Ecke biegen. Dann faßten einen die Zweige zaghaft ins Haar. Und hinter dem Holzgitter stand manchmal ein blasser einsamer Pilz. Damals war mein Arm noch etwas zu kurz, und der Pilz blieb weiter in seinem überlaubten Schatten.
Nachher, als wir nach Hause kamen, sahen mich die anderen verächtlich an. Einer, der mit seiner Mutter ging, der büßte alle Achtung ein. Aber sie wußten ja nichts von den Igeln und dem Mahagoni inwendig. Davon wußten nur wir beide.
Unser Pusteblumendasein
Wir bringen unser Leben hin zwischen den Stundenschlägen der Uhren, zwischen November und März, zwischen mürbeduftenden birnenschweren Herbsten und den erdigfeuchten Frühlingsstürmen, zwischen Bett und Bett, zwischen Geburt und Tod, Ja und Nein, Gott und Nicht-Gott.
Wir bringen es hin zwischen Süße und Bitterkeit, und wir bringen es damit zu, Lust aufzustöbern in allen Minuten und finden Leid an allen Nachmittagen und in allen Nächten, auch wenn die Dämmerung es mildert.
Wir leben dahin, sicher, selbstgefällig, singend, als gäbe es nichts, was uns nach einem Herbst den Frühling verweigern könnte. Wir gehen in den Abend hinein, als hätte uns jemand den Morgen mit all seiner Helle versprochen. Wir nehmen das Leben auf uns, ohne den Ausgang zu kennen, dies Pusteblumendasein: denn wenn irgendwas pustet, ist alles vorbei.
Wir sind ausgesetzt an die Gestade des Nichts, an die Schutthalden der Welt, an die Grenzenlosigkeit von Raum und Zeit. Ausgesetzt aus unergründlichen, unertauchbaren Dunkelheiten, verkauft an die kaltweiße abstrakte Helle der anteilslosen Gestirne, durch Betten gewühlt, Kinderbetten, Krankenbetten, über moorschwarze, schwankige, sumpfverdächtige Straßen geschleift. Ausgeliefert an Brücken und Bahnhöfe mit unserer Abschiedsangst, an die Straßenbahnen, an den traurigen Regen, an die Synkopen nächtlicher Musiken, an Vulkane, Gehirnschläge, Irrsinne, Worte und Morde, an Gespenster und Tote und die ewige Unruhe geliefert, verraten, verloren.
Wir: klein, kläglich, königlich, kurzlebig, krank, kolossal. Wir mit unserem sehnsüchtigen Herzen, verraten an verdämmernde diesige Ungewißheiten, ausgesetzt auf die grundlosenWasser der Welt, kurslos, ohne Küste und Kompaß, ausgesetzt auf die zufällige, schmale, schaukelnde Planke des Seins zwischen den schweigenden Uferlosigkeiten von Gestern und Morgen. –
Gestern und Morgen, unser Leben liegt dazwischen, kükenfederleicht, katastrophenträchtig, kostbar und kurz: Dies Pusteblumendasein.
Der Schriftsteller
Der Schriftsteller muß dem Haus, an dem alle bauen, den
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