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Das Gesamtwerk

Das Gesamtwerk

Titel: Das Gesamtwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Borchert
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unverkennbar. Und das war doch immerhin sein Name. Mitten in einem fremden Land, gelacktund emailliert: Billbrook. Man konnte es gut erkennen und ganz deutlich lesen.
    Als er sich eine neue Zigarette mit den Zähnen aus der Packung knabbern wollte, sah er, daß seine Hand zitterte. Er grinste. Ja, jetzt grinste er. Eben hatte er sich noch erschrocken.

    Als er in seinem Hotelzimmer ankam, war er immer noch aufgeregt. Nachdem er seine beiden Zimmerkameraden laut und mit Hallo begrüßt und kennengelernt hatte, erzählte er ihnen sofort von seinem Abenteuer. Abenteuer nannte er es. So sehr hatte er es erlebt, daß es für ihn ein Abenteuer war. Er sagte ihnen seinen Namen, überlangsam und überdeutlich, und dann mußten sie «mal ganz genau aufpassen». Dieser Name, der sein Name war, sein Name, den er von Amerika, von Kanada, von Hopedale mitgebracht hatte, dieser sein eigener Name stand groß und sehr leserlich in Emaille auf dem Bahnhof zu lesen. Hier auf dem Bahnhof in Hamburg. Und dann beeidete er seinen beiden Zuhörern mehrfach, daß es sich auf keinen Fall um eine Gedenktafel handeln könne. Nein, nein. Das nicht. Er habe noch niemals zwei Zeilen miteinander gereimt, er hätte auch kein Mittel gegen Augenränder oder ein billiges Öl erfunden. Er hätte auch keine Boxmeisterschaft gewonnen. Auch steckbrieflich werde er nicht gesucht, wirklich nicht. Und in Hamburg sei er heute abend zum ersten Mal. Wirklich, zum ersten Mal.
    Als er so weit in seiner aufgeregten Erklärung gekommen war, brüllten seine beiden Kameraden los. Gewaltig brüllten sie. Gehässig, schadenfroh, blechtönig lachte der kleine Schwarze am Fenster. Und vital, vulgär, humorig röhrte der misthaufenblonde Athlet und schlug mit den Fäusten auf den Tisch. Und zwischen Gebrüll und Geknuff brachtensie ihm bei, daß Billbrook ein Stadtteil sei, ein Stadtteil von Hamburg. Ja, doch: ein Stadtteil von Hamburg hieß eben Billbrook. Sie waren immerhin schon ein Jahr in Hamburg. Und als so steinalte Hamburger, die doch fast schon zu den Ureingeborenen gehörten, mußten sie das schließlich wissen. Und Bill Brook, der Fliegerfeldwebel aus Hopedale, mußte ihnen glauben. Er mußte ihnen glauben, trotz des Gebrülls glauben, weil sie ihm nun einen Stadtplan über den Tisch zu und unter die Nase schoben, auf dem sie ihm mit dicken groben Blaustiftstrichen den Teil Hamburgs ankreuzten und umzingelten, der Billbrook hieß. Ja, und als er das nun sah und begriff, da war er beinahe etwas stolz. Ohne Berechtigung natürlich. Aber daran dachte er nicht. Er gönnte sich einen kleinen heimlichen Stolz auf seinen Namen. Und das konnte er sich selbst nicht einmal übelnehmen. Immerhin kam es doch nicht jeden beliebigen Tag in der Woche vor, daß man von Hopedale her über das große Wasser kam und hier in Hamburg seinen Namen großartig und schwarzblank auf weißer Emaille vorfand. Doch, einen ganz kleinen Stolz darüber gönnte er sich und eine großzügige gute Stimmung. Die kam ganz unerwartet, als er merkte, daß er seinen Schreck über den Stolz völlig vergessen hatte. Er sah sich in Hopedale in der Küche stehen und seiner Mutter das Haar zerzausen vor Übermut und Gelächter. Er hörte das Gelächter im ganzen Haus in Hopedale und bis in den Hafen von Hopedale, wenn er das hier, das von dem Stadtteil, der Billbrook hieß, erzählen würde. Das Gelächter und Gestaune und Gezause. Er würde seinen Kühen mit der Faust die Rippen klopfen und sie auffordern, ruhig ein wenig stolzer zu sein. Oh, das würde er tun. Und darüber, daß er das tun würde, konnte er diesen Abend noch lange nicht einschlafen.

    Stimmung und Stolz dauerten an bis in den nächsten Tag. Vormittags wunderte der Feldwebel sich darüber. Nachmittags versuchte er dann, sich heimlich den Stadtplan in die Tasche zu stecken. Aber der mit dem blechtönigen Lachen ertappte ihn. Und er klirrte wie eine Konservendose im Wind: «Du willst wohl einen Ausflug machen, was? Bill Brook macht Picknick in Billbrook. Geh hin, mein Lieber, vielleicht machen sie dich zum Ehrenbürger. Oder wolltest du nicht hin? Nicht zu deinem Stadtteil? Wie? Paß auf, sie werden dich zum Bürgermeister machen. Herr Bill Brook von Billbrook. Viel Vergnügen, mein Lieber, im Ernst viel Vergnügen!» Und er klöterte sein schadenfrohes Konservendosenlachen so unverschämt laut durch das Zimmer, daß das georgelte gedröhnte Gelache seines blonden Kameraden bescheiden am Boden vergurgelte. Bill Brook grinste die beiden an.

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