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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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daß er von seiner Schuld überzeugt ist.« Braddock beugte sich vor und sah Petra fordernd an. »Wo ist er denn?«
    »Sie erwarten doch nicht, daß ich meinen Vater verrate?«
    Braddocks Faust fiel auf den Schreibtisch. »Dieser deutsche Geist!« brüllte er. »Haben wir ihn denn noch immer nicht gebrochen?«
    Petra Wolfach saß steif auf dem Lederstuhl. Ihr bleiches, hübsches Gesicht war versteinert.
    »Wie würde ein Amerikaner einen Menschen nennen, der seine Verwandten oder Freunde denunziert?« fragte sie laut. Braddock winkte mit beiden Händen ab.
    »Ein Nazi hat keinen Anspruch darauf, mit moralischen Wertmaßen gemessen zu werden! Wer zwölf Jahre lang die Moral verachtet hat, kann von uns nicht Milde verlangen! Sie wissen, daß ich Sie festnehmen kann.«
    »Die Sippenhaft ist eine Nazi-Erfindung.«
    »Was wollen Sie hier!« brüllte Braddock und sprang auf. »Ich lasse Sie hinauswerfen!«
    Petra Wolfach senkte den Kopf. »Ich komme aus Mannheim«, sagte sie leise und mit mühsam beherrschter Stimme. Das Weinen gluckste in ihrer Kehle, aber sie schluckte es tapfer bei jedem Atemzug hinunter. »Nein, mein Vater ist nicht dort. Er lebt woanders. Ich arbeite in Mannheim in einer Kantine der US Air-Force.«
    »Weiß man in Mannheim, daß Sie …?«
    »Natürlich. Ich habe alles erzählt, auch daß ich im BdM war. Führerin.«
    »In wieviel Offiziersbetten müssen Sie dafür liegen?« fragte Braddock gemein.
    Petra schüttelte den Kopf. Sie blickte nicht auf. Braddock sollte nicht sehen, wie naß ihre Augen waren. »Sie können mich beleidigen, Herr Major«, sagte sie leise. »Ich bin ein wehrloses Mädchen. Ich nehme an, es ist eine große Freude, so vollkommen ein Sieger zu sein.«
    »Diese Hochnäsigkeit hat die Deutschen seit dreihundert Jahren überall in der ganzen Welt die Freundschaft der anderen Völker gekostet.«
    »Ich bin nicht hochnäsig, Herr Major.« Petra schüttelte wieder den Kopf. Jetzt blickte sie auch auf, und Braddock sah die Tränen in ihren Augen. »Ich bin zu Ihnen gekommen, um Sie um etwas zu bitten.«
    »Zu bitten? In diesem Ton? Mit dieser deutschen Arroganz?«
    »Sie haben mich, gleich als ich eintrat und ohne daß ich etwas sagen konnte, wie eine Soldatendirne behandelt, die sich beschweren will.«
    »Ich schöpfe aus einer reichen Erfahrung!« sagte Braddock höhnisch. »Also – was wollen Sie?«
    »Ich möchte einen Soldaten besuchen. Einen deutschen Soldaten. Ich weiß nicht, ob er noch dort ist. Kurz bevor Ihre Truppen in Bernegg einmarschierten, war er noch auf dem Schloß.«
    Braddock legte den Kopf zur Seite. »Oben, im Lazarett?«
    »Ja. Ein Gesichtsverletzter.«
    »Und Sie lieben einen dieser Männer?«
    »Ja. Ich weiß nicht, ob er noch oben ist. Walter Hertz heißt er, Gefreiter Hertz.«
    »Wie soll ich bei 200 Gesichtsverletzten wissen, wer Walter Hertz ist? Entlassen ist keiner aus dem Schloß. Sie sind noch alle dort.«
    »Dann ist auch Walter Hertz noch oben!« sagte Petra glücklich. Ihre Augen bekamen einen freudigen Schimmer. Braddock steckte einen Kaugummi in den Mund und wölbte die Unterlippe vor.
    »Das ist anzunehmen. Und nun?«
    »Kann ich ihn sehen?«
    »Nein. Er ist Kriegsgefangener.«
    »Sehen wenigstens …«
    »Das müßte ein Zufall sein.« Braddock setzte sich wieder. »Sie können ihm schreiben.«
    »Das habe ich schon getan. Und er hat nicht wiedergeschrieben.«
    »Dann ist etwas faul an der Sache.«
    »Oder der Brief ist verlorengegangen oder falsch geleitet worden.« Petra preßte die Handflächen gegeneinander und stand langsam auf. »Ich kann ihn nicht sehen?«
    »Nein.«
    »Und wann werden sie ihn entlassen?«
    »Da müssen Sie in Washington anfragen.«
    »Danke. Entschuldigen Sie, Herr Major.«
    Braddock sah ihr nach, wie sie schleppend, als habe sie Blei in den Füßen, zur Tür ging. Der Sergeant erhob sich, um einen der großen Flügel zu öffnen.
    »Mein Fräulein vom BdM!« sagte Braddock laut. Petra blieb stehen, aber sie drehte sich nicht um. »Ich könnte eine Ausnahme machen, wenn Sie mir einen gewissen Ort sagten.«
    Petra antwortete nicht. Sie ging weiter, an dem Sergeanten vorbei in die Halle, vorbei an dem alten, wartenden Mann, und sie hatte den Kopf gesenkt und weinte still vor sich hin.
    Braddock kratzte sich wieder die Stirn. »Sie gefällt mir«, sagte er zu sich. Irgendwie erinnerte ihn Petra an Lisa Mainetti. Auch diese hatte jenen Stolz, der ihn rasend machte. Als Hitler an die Macht kam, war dieses Mädchen Petra acht

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