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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schlimmsten ist der satte Mensch! Warte es nur ab.« Er legte seine Hand auf Ursulas Arm, aber sie schüttelte ihn ab, als ekle sie die Berührung. »Darum bleibe ich auch in deiner Nähe«, sagte Petsch leise. »Du bist mir zu schade, um in dieser Mühle zermahlen zu werden.«
    Zwei Besucher standen in der großen Halle der Wolfach-Villa auf dem Hügel, in die Major James Braddock als Kommandant des Gebiets Bernegg gezogen war. Offiziere des Sicherheitsdienstes hatten das Haus vor einigen Tagen vom Keller bis zum Dach untersucht und alle vorhandenen Papiere mitgenommen. Braddock erfuhr, daß der Besitzer der Villa, der Fabrikant Hubert Wolfach, auf einer Liste der Kriegsverbrecher stand. Er hatte mit seinen Werken geholfen, den Krieg zu verlängern, hatte Bombenzünder und Granatzünder hergestellt.
    Der eine der beiden Besucher, die heute hier warteten, war ein alter, weißhaariger Mann in einem geflickten, schmutzigen Anzug, der um den ausgemergelten Körper schlotterte, als habe er die Kleidung auf seiner Wanderschaft nach Bernegg von einer Vogelscheuche genommen. Nun setzte sich der alte Mann in einen der Gobelinsessel, bewunderte die Gemälde, die an den Wänden in schweren Goldrahmen hingen und registrierte vor sich hinlächelnd den starken Kontrast zwischen alten Meistern und vier uniformierten Negern, die gummikauend um einen runden Tisch in der Halle saßen und Karten spielten.
    Der zweite Besucher saß zusammengedrückt und ängstlich in einem anderen Sessel. Es war ein Mädchen, trug einen alten BdM-Rock, eine Wollbluse und zertretene Halbschuhe. Es sah nicht so verhungert wie der alte Mann aus, aber in ihrem blassen Gesichtchen spiegelte sich eine große innere Not. Das Mädchen sah die alten Meister an den Wänden nicht einmal flüchtig an, es kannte das alles. Es war hier zu Hause.
    In der Tür zum Herrenzimmer erschien jetzt ein Sergeant. Er winkte dem Mädchen zu und stieß den Daumen über seine Schulter in Richtung des Raumes. »Please!« rief er.
    Das Mädchen sah den alten Mann an. »Bitte, gehen Sie zuerst hinein«, sagte es.
    Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Sie waren zuerst da, mein Fräulein.«
    »Aber bei Ihnen ist es bestimmt wichtiger. Bitte, gehen Sie.«
    Der alte Mann blieb sitzen. »Sie waren zuerst da, nein, es muß seine Ordnung haben. Wo alles aus den Fugen ist, sollte man im kleinen wieder Maßstäbe von Ordnung und Sitte aufbauen. Ich kann warten, ich habe es gelernt. Ob eine halbe Stunde früher oder später. Ich wollte mich nur nach meinem Sohn erkundigen.«
    Der Sergeant winkte wieder. »Come in!« rief er wütend.
    »Gehen Sie«, sagte der alte Mann. »Wir dürfen den Major nicht wütend machen. Ich habe es gelernt, was es heißt, aus Wohlwollen Nutzen zu ziehen.«
    Das Mädchen stand auf und ging an dem Sergeanten vorbei in das Herrenzimmer des Fabrikanten Wolfach. Es war ein großer Raum mit schweren Möbeln im Renaissancestil, einem echten Täbristeppich und einem mittelalterlichen Globus, der in einer geschnitzten Holzwanne lag und sich in einem bronzenen Radius drehte. Zwei große Fenstertüren führten hinaus in den herbstlichen Park, in dem die Bäume die sterbensbunten Blätter abwarfen.
    Major James Braddock saß hinter dem Schreibtisch mit den mächtigen Löwenfüßen und aß ein braungebratenes, kaltes Hühnerschenkelchen. Mit dem Knochen winkte er dem Mädchen zu und zeigte auf den Lederstuhl vor dem Tisch.
    »Setzen Sie sich. Was wollen Sie? Eine Beschwerde über einen meiner Leute? Aussichtslos, mein Fräulein. Ich weiß, daß ihr viel zu entgegenkommend seid, als daß man noch von Nötigung reden könnte! Seid weniger wild auf Schokolade und Zigaretten, dann passiert euch auch nichts.« Braddock legte den Hühnerknochen in den Alabasteraschenbecher. »Noch etwas?«
    »Ja«, sagte das Mädchen. »Ich bin Petra Wolfach.«

13
    Major Braddock blies die Flamme des Streichholzes aus, bevor er seine Zigarette angezündet hatte. Er blickte zu dem Sergeanten hinüber, der gelangweilt an einem kleinen Tisch neben der Tür zum Salon saß wie der Erzengel vor dem Eingang zum Paradies.
    »Wolfach?« fragte Braddock gedehnt. »Hier – dieser Fabrikant Wolfach?«
    »Ja. Es ist unser Haus, in dem Sie jetzt wohnen. Ich bin seine Tochter.«
    Major Braddock kratzte sich die Stirn. »Und warum sind Sie zurückgekommen? Das Haus ist beschlagnahmt. Ihr Vater ist ein Kriegsverbrecher!«
    »Man sagt es.«
    »Was heißt: Man sagt es? Er ist es! Daß er geflüchtet ist, beweist,

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