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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Appetit, Professor.«
    Bloch aß vorsichtig und langsam kauend eine der Weißbrotschnitten mit gekochtem Schinken. Man sah es ihm an, wie er den Schinken genüßlich auf der Zunge liegen ließ, ehe er ihn zerkaute. In Braddocks Magen bildete sich ein merkwürdiges Gefühl, als quelle ein großer Kloß rasend schnell auf und versteinere dann.
    »Ich lasse Ihren Sohn sofort holen, Professor«, sagte er. »Und er wird der erste sein, den wir entlassen. Ich werde sofort einen Antrag ans Hauptquartier weitergeben.«
    »Was wollte das junge Mädchen von Ihnen?« fragte Bloch und schlürfte vorsichtig den heißen Kaffee. Braddocks Miene verdunkelte sich.
    »Sie hat einen Freund oben auf dem Schloß.«
    »Ein Kamerad meines Sohnes?«
    Braddock spürte den stillen Angriff, der in dieser Frage lag. Er wich nicht zurück, er stemmte sich dagegen.
    »Ja!«
    »Sie ging weinend hinaus.«
    »In Deutschland weinen hunderttausend Frauen.«
    Bloch nickte. »Sie sind die wahren Schuldigen, nicht wahr? Gerade sie muß man hart bestrafen.«
    »Wieso?« fragte Braddock steif.
    »Die Mütter haben die Söhne geboren, die Soldaten wurden, und die Frauen haben diese Soldaten geheiratet und ihnen durch ihre Liebe Mut zum Kämpfen gegeben. Nach der neuen Denkweise sind also die Mütter und Frauen die Hauptschuldigen.«
    »Professor!« Braddock ging mit langen Schritten hin und her. »Auch von Ihnen lasse ich mir diese Ironie nicht gefallen. Sie wissen, daß wir durch Kriegsgesetz zur Härte gezwungen sind. Es besteht ein Sprech- und Besuchsverbot für die Kriegsgefangenen und …«
    »Und dieses Verbot gilt natürlich auch für meinen Sohn Kaspar Bloch.« Professor Bloch erhob sich. Er hatte nur eine Scheibe Brot gegessen und eine halbe Tasse Kaffee getrunken. »Ich habe von jeher nach dem Prinzip der Gerechtigkeit gelebt, Major. Bei den Nazis – nun ja, was konnte man da erwarten? Sie haben mit Ihrer Armee diesen Staat zerschlagen, um endlich die Gerechtigkeit einzuführen. Es ist merkwürdig, daß nun auch bei Ihnen die Gerechtigkeit zwei Gesichter haben soll.«
    Major Braddock blieb vor den Fenstertüren stehen und starrte hinaus auf den herbstlichen Park. »Dieses verdammte Deutschtum«, sagte er laut.
    »Darf ich mich verabschieden, Herr Major. Ich danke Ihnen für das Brot und den Kaffee. Sie haben damit einem alten Mann eine Köstlichkeit bereitet. Und im übrigen werde ich warten, bis mein Sohn mit den anderen entlassen wird. Es ist schon etwas Schönes, hier unten zu stehen, zu dem Schloß hinaufzusehen und zu sagen: Dort oben ist mein Junge. In meinem Alter sind die bescheidenen Freuden die nachhaltigsten.«
    Major Braddock fuhr herum. »Der Vater dieses Mädchens ist ein Kriegsverbrecher, Professor.«
    »Das ist eine klare Antwort, Major.« Professor Bloch schob den Lederstuhl an den Tisch heran. »Es ist wirklich eine Frechheit, daß dieses Mädchen sich nicht das Leben genommen hat, sondern die Stirn besitzt, zu hoffen, zu glauben und zu lieben.«
    »Hinaus!« schrie Braddock dröhnend. »Gehen Sie hinaus!«
    Eine Stunde später holten zwei Jeeps Kaspar Bloch und Walter Hertz hinunter nach Bernegg.
    Warum man sie aus dem Lazarett holte, wußten weder Kaspar Bloch noch Walter Hertz. Die MPs sagten es nicht, und auch Lisa Mainetti hatte es nicht erfahren können. Braddock hatte angerufen und ins Telefon gebellt: »Die POWs Bloch und Hertz werden sofort abgeholt. Ohne Gepäck. Bereiten Sie alles vor.« Dann hatte er aufgelegt, bevor Dr. Mainetti fragen konnte, was das bedeuten sollte.
    So war es nur natürlich, daß die beiden lediglich ihre Uniformen anzogen und ohne besondere verdeckende Verbände, die vor allem Walter Hertz nötig hatte, für die Fahrt nach Bernegg bereitstanden, als die Jeeps eintrafen.
    Auf Stube B/14 jagten sich die Mutmaßungen.
    »Det is klar wie Wurstbrühe«, sagte der Berliner. »Kaspar wird entlassen, und der Walter kriegt eenen hinjepfeffert, weil er der Petra 'n Kind jemacht hat.«
    »Blödsinn!« schrie Walter Hertz. »Das hätte sie im letzten Brief geschrieben.«
    »Und dann heißt es ausdrücklich: Ohne Gepäck.« Fritz Adam schüttelt den Kopf. »Das ist was Neues. Wenn das hier ein KZ wäre. Jungs, bei der SS hieß ›ohne Gepäck‹ …«
    Walter Hertz wurde blaß. »Mein Vater war Kreisobmann in der Arbeitsfront«, sagte er leise.
    »Quatsch!« Erich Schwabe winkte ab. »Da gibt es ganz andere braune Tiere. Wer weiß, was die Amis wollen. Vielleicht nur eine Auskunft. Die Brüder machen ja

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