Das geschenkte Gesicht
schabte sie ab, damit nicht zuviel mit der Schale verlorenging. »Wenn du Erich liebst, ist es gleichgültig, ob dieser Mann da draußen Steine für uns klopft. Die Liebe schützt dich vor allem! Und außerdem baut er unser Haus wieder auf.«
»Und eines Tages wird er die Rechnung vorlegen«, sagte Ursula dumpf. »Und du weißt, was er dann verlangt!«
»Dummheit! Er weiß, daß es sinnlos ist. Ich habe lange mit ihm gesprochen. Er ist nur dankbar.«
»Dankbar wofür?«
Frau Schwabe schwieg. Sie dachte daran, wie sie nach dem Weihnachtsbesuch bei Erich nach Köln zurückkam, unverhofft und früher. Damals hatte sie einen Augenblick die wilde Lust verspürt, ihre Schwiegertochter zu töten, einfach zu töten mit einem Küchenmesser, mit einem Kessel kochenden Wassers, mit einem großen Stein. Sie hatte Erich verraten, mit einem anderen Mann betrogen, sie hatte diesen armen, um Liebe flehenden Menschen ohne Gesicht aus ihrem Herzen verjagt. Aber dann war in Frau Schwabe dieses Gefühl des Tötenmüssens verflogen. Etwas wie Mitschuld hatte sie verspürt, die Strafe für ihren Egoismus, ihrem Sohn Erich in der größten Not alles sein zu wollen, Mutter, Frau, Zukunft und die ganze Liebe.
»Wir haben uns gegenseitig versprochen, nie mehr darüber zu reden«, sagte Frau Schwabe ernst. »Erich wird es nie erfahren.«
»Ich werde es ihm erzählen, wenn er wieder zu Hause ist.«
»Aber warum denn?«
»Ich will nicht mit dieser Lüge im Herzen mit ihm weiterleben. Und darum muß dieser Petsch weg. Ich will ihn nicht mehr sehen, ich will an nichts, an gar nichts mehr erinnert werden.«
Frau Schwabe hob hilflos die Arme. »Wir können ihm nur verbieten, nicht mehr in unser Haus zu kommen.«
Drei Tage nach diesem Gespräch ging Ursula zu Karlheinz Petsch hinaus in die Trümmer. Er saß wieder in den Ruinen des Schwabschen Hauses, klopfte Ziegelsteine sauber und stapelte sie. Es war ein heißer Abend, staubig und windstill, und Petsch saß zwischen den zerborstenen Mauern mit nacktem Oberkörper, eine alte Feldmütze über den verschwitzten Haaren, zwischen den Zähnen eine dicke Pfeife, in der er besten amerikanischen goldgelben Tabak rauchte.
»Na, Mädchen?« sagte er und reckte den muskulösen Oberkörper. »Das ist nett, daß du mich doch noch kennst.«
»Wie stellst du dir das vor?« fragte Ursula laut.
»Was heißt vorstellen? Ich warte – und arbeite dabei. Nächsten Monat bekomme ich Zement, woher, wird nicht verraten. Und dann geht's los, Kleine. Erst die Umfassungsmauern, dann die Zwischenwände. Ich hab' mir gedacht, vier Zimmer reichen fürs erste, was? Nur mit dem Dachdeckermaterial, da klappt's noch nicht so richtig. Da muß ich mir erst die Verbindung suchen.«
»In drei Monaten etwa wird Erich zurückkommen!« log Ursula.
Karlheinz Petsch nickte eifrig. »Um so besser! 'n tüchtiger Glaser ist was wert! Um so schneller geht's mit der neuen Wohnung. Ein Maurer und ein Glaser – Mädchen, wenn wir nicht in Kürze alles haben, was wir brauchen, will ich wie Göring Meyer heißen!«
»Und worauf willst du warten?« fragte Ursula heiser vor Angst.
»Auf das, was wird!« Karlheinz Petsch legte seinen Hammer und den Flachmeißel hin. »Du liebst deinen Mann, ich weiß es, Uschi. Was zwischen uns war – Schwamm darüber. Ist ja auch lange her. Aber ich sprech' auch nicht mehr darüber. Du kannst's vergessen, ich tu's nicht. Heute zum letztenmal, Ehrenwort! Aber ich weiß, daß es nicht gut gehen wird, Uschi, nicht auf die Dauer. Jetzt hast du noch Mitleid mit dem Erich, und du redest dir ein, daß du ihn mehr liebst als früher – ja, wink nicht ab, laß mich weitersprechen. Diese ganze große Liebe, die du jetzt spürst, ist nur Mitleid, nur Selbstbetrug, ist wie eine Morphiumspritze, die du täglich nimmst, um dir was vorgaukeln zu lassen. Aber wenn der Erich zu Hause ist, und wenn du täglich, stündlich, jede Minute um ihn bist, und wenn die andern weggucken, wenn er kommt, und die Kinder ihm nachlaufen – und Kinder sind so grausam, Uschi –, das ist wie ein steter Tropfen, Uschi, das höhlt dich aus. Und eines Tages bist du fix und fertig und kannst nicht mehr.« Petsch sah sie groß an. »Darauf warte ich. Auf diesen Tag, dann nehm' ich dich zu mir, damit du nicht völlig zusammenklappst.«
»Such dir eine andere Frau!« schrie Ursula wild. »Du hast ja Auswahl genug. Sie laufen dir ja den Keller ein.«
Petsch schüttelte langsam den Kopf. »Das sind Weiber«, sagte er mit tiefer
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