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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nennst, ist'n Dreck. 700 Kalorien, die hab' ick früher nebenbei jeschluckt. Und is det etwa 'n Bett, wo ick allein drin liege? Und Operationen und Medikamente – wofür jibt's denn Krankenkassen? Ick hab' doch mein Jesicht nicht uff 'ner Kirmes jelassen! Ick hab' es für'n Staat jeopfert, un nu soll der ooch dafür zahlen.«
    »Er wird's nicht tun, Paul.« Fritz Adam schüttelte heftig den Kopf. »Welcher Staat denn? Den du verklagen könntest, der ist bankrott, kaputt. Der existiert gar nicht mehr. Aber solange wir hier im Lazarett sind, sorgt man für uns.«
    »Weihnachten zu Haus«, sagte Walter Hertz. Er saß auf dem Bett und hielt ein kleines Bild in der Hand. Ein verknittertes Paßfoto. Das leicht lächelnde Gesicht eines jungen Mädchens mit großen, ernsten Augen. »Ich kann als Elektriker allerhand verdienen, meint ihr nicht auch, Kumpels? Wir wollen heiraten, wenn ich 'rauskomme. Petras Vater ist jetzt auch ein armes Schwein wie ich. Im Gegenteil, ich kann arbeiten und er nicht.«
    Erich Schwabe ging nachdenklich zu seinem Spind und holte den letzten Brief Ursulas heraus. Er las ihn noch einmal, und er empfand den großen Zwiespalt, der sich in ihnen allen auf tat. Solange Krieg war, war das Lazarett ihre schöne, sichere Heimat gewesen. Nun war das Sterben abgeblasen worden, und man konnte zurück in die wirkliche Heimat. Die Mutter wartete und die Frau, das Leben ging weiter und wühlte sich aus den Ruinen. Aber ihre Gesichter waren nur halbfertig, und mit dem Schritt hinaus in die Freiheit schlüge das Tor eines erträglichen menschlichen Aussehens hinter ihnen zu. Vorläufig vielleicht nur – aber wer wußte jetzt schon, wie lange es dauern würde, bis wieder in mühsamer Kleinarbeit ein Teil des Gesichts nach dem anderen neu geformt wurde. Und gab es dann noch einen Professor Rusch und eine Lisa Mainetti?
    Sie schreibt, daß ein Maurer ihnen hilft, die Steine abzuklopfen für den Wohnungsaufbau, dachte Schwabe. Wie nötig wäre ich jetzt in Köln. Ein Glaser, und dann, wenn das Kind kommt. Wer sorgt für Ursula und das Kleine? Sie werden hungern müssen und sich stundenlang anstellen, um eine Sonderzuteilung zu bekommen. Und wenn es nur ein Beutelchen Maisgrieß oder Maismehl ist, diese neueste Ernährungswelle der Sieger. Oder zwei Kellen voll Rosinensuppe in den Volksküchen. Oder rote Rüben, aus denen man allerlei machen konnte, Marmelade und Kompott, Gemüse und süßsaure Suppen, Brotaufstrich und zusammen mit Maismehl sogar einen Kuchen.
    »Vielleicht wird alles anders, Kinder«, sagte Schwabe in die gedankenvolle Stille hinein. »Warum sich jetzt den Kopf zerbrechen? Bis Weihnachten ist noch Zeit – und außerdem ist's ja bloß ein Gerücht!«
    Zwei Wochen lang sprach man nicht mehr darüber. Es war fast, als habe man es vergessen. Aber dann kam es wie eine Explosion über die Stube B/14 und mit ihr über den ganzen Block B des Lazarettes.
    Major Braddock rief an einem Morgen ganz unerwartet wieder Lisa Mainetti an.
    »Miß Doktor«, sagte er wohlwollend. »Machen Sie diesen Kaspar Bloch bereit. Er wird abgeholt.«
    »Wieder Besuch vom Vater?«
    »Nein. Fertigmachen mit Gepäck. Er wird entlassen.«
    »Was wird er?« fragte Lisa ungläubig.
    »Entlassen. Er wird Zivilist. Das Hauptquartier hat es angeordnet. Name und Schicksal Professor Blochs rechtfertigen eine Ausnahme.«
    »Und … und die anderen, Major?«
    »Müssen warten.« Braddock klopfte mit einem Bleistift auf den Schreibtisch. »Es wird nicht mehr lange dauern, Miß Doktor. Wir heben dann den Status der Kriegsgefangenschaft auf, und Schloß Bernegg wird Spezialklinik für Gesichtplastik. Das geht allerdings erst dann, wenn wir einen Kostenträger dafür gefunden haben. Bis jetzt tragen wir es ja, weil die Patienten Gefangene sind. Nach ihrer Entlassung aber sind es Zivilpersonen, und die gehen uns nichts an.«
    »Das kann ja ein lustiger Zustand werden, Major.«
    »Sie leben eben in einem falschen Land, Miß Doktor.«
    »Wollen Sie nun auch mir ein Angebot für die USA machen?«
    »Wir werden es müssen. Professor Rusch hat verlauten lassen, daß er Sie heiraten wird. Stimmt das?«
    »Es stimmt.« Lisas Herz schlug bis zum Hals. »Wann hat er das gesagt? Was wissen Sie von Rusch, Major?«
    »Beim letzten Verhör. Dies zu Frage eins. Und wie es ihm geht? Gut. Er ist im Lagerlazarett tätig und zieht ehemaligen Nazigrößen die Zähne. Ist das nicht ein herrlicher Witz?«
    »Ihr Humor war immer hintergründig, Major.«
    »Im

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