Das geschenkte Gesicht
Zwerch sah nach oben. Im Fenster hingen die Insassen der Stube 14 und beobachteten den Erfolg der ersten Fühlungnahme.
»Det klappt, Jungs!« rief der Berliner hinauf. »Ick schaufle den Schnee nach links, dann kommste 'runter, Wastl, und schippst 'n von links nach rechts. Dann der Erich wieder nach links. Und so jeht det weiter. Damit sanieren wir uns!«
Der Neger kam zurück. Er hatte eine Schachtel Zigaretten in der Hand, eine Packung Keks und eine kleine Büchse mit Marmelade. Der Berliner nickte zustimmend.
»Ooch jut, Erdbeerkonfitüre. Mit janzen Früchten! Det wird Mamas Sohn als Abendserenade singen. My big Dankeschön, Blacky.«
Das letzte Wort war kaum ausgesprochen, als Paul Zwerch durch die Luft segelte und mit dem Bauch voran im Schnee landete. Der Negersoldat hatte ihn wortlos in den Hintern getreten, und es war ein solch gewaltiger Tritt, daß Zwerchs Steiß gefühllos war und wie abgestorben.
»Ich muß mir mehr um die englische Sprache kümmern«, sagte der Berliner, als er wieder auf Zimmer 14 war und stöhnend ins Bett kroch. »Irjendwat is da falsch jelaufen.«
Der Wastl unternahm den zweiten Anlauf. Er fing es klüger an. Er stellte sich neben den Neger in den Schnee und begann zu jodeln. Holodrijo, sang der Wastl und ließ die flachen Hände auf seine Oberschenkel krachen.
Der Neger hörte auf, Schnee zu schippen, und blickte kritisch zu dem jodelnden Mann mit den mächtigen Rollappen im Gesicht. Dann ließ er den Stiel des Schneebrettes wieder fallen und kam langsam auf den Wastl zu.
O jeh, dachte der Feininger, und der letzte Jodler verunglückte kläglich. Jetzt kriag' i a Watschen!
Aber der Neger blieb stehen, seine dicken Lippen verzogen sich, weiße Zähne blinkten, und dann lachte er und klopfte den Wastl auf die Schulter.
»Well, well!« sagte er. »Very good! Me too.«
»Wos is?« fragte der Wastl entgeistert.
»Me too.«
»An schlechte Englisch spricht der! Wos is!«
»Me too!« brüllte der Neger.
»Er will es auch!« rief Fritz Adam vom Fenster herunter. »Du sollst es ihm beibringen, Wastl!«
»Dös Jodeln?«
»Ja!«
»Als Ne –«
»Halt die Fresse!« brüllte der Berliner dazwischen. Wastl Feininger verschluckte das Wort. Er lächelte und hob beide Hände.
»Camel and eat.«
»Okay!« Der Neger griff in die Tasche seiner Uniform und holte die Zigaretten, die Kekse und die Büchse Marmelade wieder hervor. »Go on!«
»Mitkommen!« Der Wastl steckte die Herrlichkeiten ein und ging dem Neger voraus zu einer Ecke des Lagerschuppens, in dem noch immer, unter Stroh und Gerumpel, Fritz Adams Auto stand, die ›Geheimwaffe Berneggs‹. Dort hob er den Zeigefinger, zeigte auf seinen Hals und begann wieder. Holo-drijoh.
Nach einer Stunde – es war die schwerste Stunde in Wastls Leben – kamen sie wieder zurück zum Block B. Der Negersoldat lachte breit, ergriff wieder sein Schneebrett und schaufelte weiter. Dabei warf er den wolligen Schädel in den Nacken, rollte die Augen und brüllte in die kalte Luft. »Juchodriloh Ho-lodrij.«
Es klang, wie wenn ein Berg Porzellan zerspringt. Wastl Feininger klatschte in die Hände und klopfte dem Neger auf die Schulter.
»Very nice, friend«, sagte er. »Weitermachen.«
An diesem Abend schwelgte die Stube 14. Jeder bekam zwei Kekse mit Marmelade und drei Zigaretten. Die restlichen Camel behielt der Wastl einstimmig als Gratifikation für seine Leistung zugesprochen.
»Und was machen wir morgen?« fragte Erich Schwabe. »Du kannst mit dem doch nicht jeden Tag jodeln üben.«
»Es wird sich schon etwas finden.« Walter Hertz kaute lange an seinen Keksen, er ließ sie auf der Zunge zergehen und drehte die ganzen Erdbeeren der Konfitüre wie einen Bonbon im Mund. Man muß den herrlichen Genuß des Essens ausdehnen bis zum letzten Geschmacksempfinden. »Kann einer zaubern?«
Es konnte keiner, lediglich der Berliner beherrschte einige Kartentricks. Sie reichten zwar für Mogeln beim 17 und 4, aber für Zauberei war es zu wenig.
»Der Oster kann zaubern«, sagte Fritz Adam.
»Wer ist Oster?«
»Ein Kumpel, dem sie vor ein paar Wochen ein neues Kinn gemacht haben. Ganz große Sache von der Mainetti. Ich habe gesehen, wie er auf seiner Bude ein paar ganz nette Tricks vorgeführt hat. Er liegt auf Nr. 4.«
»Det is ja der Mist.« Paul Zwerch leckte die Marmeladendose aus. Er bekam diese Vergünstigung als Schmerzensgeld für seine fehlgeschlagenen Bemühungen. »Wat nützt uns der Oster auf Nr. 4?«
»Man sollte ihn zu uns
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