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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wenigen Minuten wieder eine Fuhre Leid zu uns kommt.« Lisa Mainetti tauchte die Hände in eine antiseptische Lösung und hielt sie dann von sich, um sie abtropfen zu lassen. Nebenan, im großen OP, sah sie zwei Sanitäter – Studenten im vorklinischen Semester – und einen Unterarzt bei den Vorbereitungen zu den Operationen. Man hatte Erfahrung bei diesen Neuzugängen. Meistens kamen sie ohne Aufenthalt von einem Frontlazarett oder gar einer Krankensammelstelle nach Bernegg und sahen erschreckend aus. Vor allem die Gesichtsverletzten. Außer einer groben Wundversorgung taten die Frontärzte nichts an ihnen. Was sollten sie auch tun! Wie in einem Schlachthaus standen sie vor Hunderten aufgerissenen Leibern, und die Sturmflut aus Blut spülte über sie hinweg.
    Professor Dr. Rusch nickte mehrmals. »Eine Fuhre Leid, sagst du. Gewiß. Und diese Fuhren kommen jetzt von allen Seiten, die Transportwege werden immer kürzer. Wir schrumpfen zusammen, Lisa. Und deshalb denke ich, es müßte für dich ein Triumph sein, daß alles so gekommen ist. Daß wir Deutsche am Ende sind, daß wir einen Krieg verlieren, wie noch nie ein Volk einen Krieg verloren hat. Daß all das eingetroffen ist, was du einmal gesagt hast: Ihr seid wahnsinnig geworden in eurer Selbstüberschätzung.«
    Dr. Mainetti sah ihn nachdenklich an.
    »Warum sollte ich mich freuen?«
    »Weil du recht hattest.«
    »Recht? Was ist Recht, Walter? Mein Vater starb in Dachau, weil er glaubte, es sei sein Recht, gegen den deutschen Wahn zu sprechen. Mich wollten sie nach Flossenburg als KZ-Ärztin bringen, um mich mitschuldig werden zu lassen an den Verbrechen. Damals hast du mich davor gerettet und hierher geholt … und es ist manches seitdem geschehen … auch zwischen uns, Walter. Nun habe ich recht behalten, und es kommt alles so, wie es kommen mußte … aber dieses Recht wird eines Tages auch dich mitnehmen, und das wird ein Tag sein, wo ich mein Recht verfluchen werde!«
    Sie hob den Kopf. Vor dem Tor rollten die ersten Sankas vor. Kommandos ertönten, aus dem großen OP rannten die beiden Sanitäter zum Eingang, um zu helfen. Am Ende des Ganges erschienen zwei Ordensschwestern mit wehenden weißen Hauben und bei jedem Schritt klappernden langen Rosenkränzen am Gürtel der Gewänder.
    »An genau das habe ich gedacht, Lisa.« Der Professor schloß seinen weißen Kittel. Er trug darunter nicht seine Uniform, sondern eine weiße Leinenhose und weiße Gummischuhe über nackten Füßen. Es war heiß unter den altmodischen Operationslampen, und wer eine halbe Stunde gebeugt über dem OP-Tisch stand, dem floß der Schweiß in Strömen vom Körper.
    Über den Flur wurden die ersten Bahren getragen. Eine helle, scharfe Stimme tönte durch das Scharren der Füße und das leise Stöhnen der Verwundeten.
    »Wer wird denn hier Arien singen, was?« schrie eine Stimme. »Ein deutscher Soldat bleibt stumm, und wenn ihm der halbe Kopf wegfliegt!«
    Lisa Mainetti deutete zum Ausgang hin. »Sie waren euer Untergang, Walter. Diese NS-Schreier …«
    »Wo gehst du hin, wenn alles vorbei ist …?«
    »Noch ist es nicht vorbei. Noch sind wir mitten drin.«
    »Aber es wird nicht mehr lange dauern. Die Amerikaner stehen vor Aachen, die Russen marschieren an der Grenze im Osten. Es kann plötzlich kommen, Lisa. Wo wirst du hingehen, weißt du es schon?«
    »Warum fragst du das jetzt, gerade jetzt? Draußen laden sie neue Menschen ohne Gesichter aus …«
    »Sie sollten ein Anlaß sein, hart zu denken.«
    Über den Flur kam eine große Gestalt im weißen Arztkittel. Auch sie trug Leinenhosen und weiße Gummischuhe, aber sie wirkten wie Reithosen und Stiefel. Ein schmaler Kopf mit kurzgeschorenen, braunen Haaren und blauen, kalten Augen.
    »Zweiundzwanzig Neuzugänge für uns!« meldete der Arzt ein wenig lässig und sah Professor Rusch an. »Zwei von ihnen sind ganz schön 'rangenommen! Die sparen für ein Jahr das Rasieren …« Er lachte, aber verstummte sofort, als er den abweisenden Blick Lisa Mainettis sah. »Humor kennt man hier wohl nicht«, brummte er und steckte die Hände in die Taschen seines Kittels.
    Oberarzt Dr. Fred Urban hatte eine gute und glatte Karriere hinter sich. Als HJ-Führer machte er sein Abitur, als Führer im NS-Studentenbund studierte er Medizin, und als SA-Sturmführer absolvierte er seine Pflichtassistenzzeit in der Klinik. Von da ab ging es schnell aufwärts, er wurde im Polenfeldzug und im Frankreichkrieg Unterarzt und Assistenzarzt, bekam das EK I,

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