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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weil er einen eingeschlossenen Hauptverbandsplatz verteidigte, bis ein Gegenstoß ihn wieder befreite, und wurde später dann als Spezialist nach Bernegg kommandiert. Hier führte er sofort für alle Verwundeten wöchentliche politische Schulungen ein und entdeckte, daß der Chefarzt Professor Rusch nur ein ›Neu-Nazi‹ war und die Ärztin Dr. Mainetti ein schweres Kaliber von innerem Widerstand. Das alles festigte seine Position, und was ihm an ärztlicher Qualifikation fehlte, ersetzte er durch Forschheit und vaterländische Parolen.
    »Warum brüllen Sie die Leute eigentlich so an?« fragte der Professor. »Muß das sein?«
    »Ich kann Schlappheit nicht vertragen, Herr Oberstabsarzt!«
    »Immerhin sind dies Menschen, die kein Gesicht mehr haben!«
    »Na und? Ist das ein Grund …«
    Oberarzt Dr. Urban machte in diesem Augenblick einen Satz zur Seite und schrie »au!« Dann starrte er entgeistert Dr. Lisa Mainetti an. Sie hatte eine lange Nadel in der Hand und lächelte ihm fast freundlich entgegen.
    »Sehen Sie, lieber Kollege … Sie schreien ›au!‹, wenn man Sie in den Hintern sticht. Den anderen da draußen aber hat man das Gesicht weggerissen. Es kann sein, daß sich bei Ihnen das Gefühl vom Gesicht in den Hintern verlagert hat …«
    Dr. Urban verzichtete auf eine Antwort. Mit vorgestrecktem Kopf rannte er aus dem Verbandsraum und schnauzte einen Sanitäter an, der nicht zur Seite sprang und ihn auch nicht grüßte. Professor Rusch schüttelte den Kopf.
    »Du provozierst seine Feindschaft, Lisa. Er kann gefährlich werden.« Dann überzog ein Lächeln auch sein Gesicht. »Und eine Sprache hast du …«
    »Ihr habt sie mich ja zwei Jahre lang gelehrt.« Dr. Lisa Mainetti ging hinüber in den OP. Die erste Trage wurde im Vorraum abgesetzt. Es war Erich Schwabe, der regungslos dalag und alle Geräusche in sich aufnahm und sie zu Bildern ordnete. An der Tür blieb Lisa stehen. »Mir ist oft, als sei ich selbst ein Mann geworden …«
    Rusch sah sie an, und sie spürte in seinem Blick Wärme und Innigkeit. »Du brauchst nur einen Spiegel, um dir zu bestätigen, wie sehr du eine Frau bist …«
    Die Sankas waren ausgeladen. Die Mehrzahl der Fahrzeuge fuhr zu Block A und C, der allgemeinen Chirurgie. Im großen OP lag ein Verwundeter auf dem Tisch. Oberarzt Dr. Urban wickelte die Verbände von seinem Kopf. Als die durchbluteten Zellstofflagen kamen, sagte er laut: »Hoppla, jetzt sei ein Mann, mein Junge!« und riß die Lagen mit einem Ruck ab. Der Verwundete schrie gellend auf und hieb mit Armen und Beinen um sich. Sein halber Unterkiefer war weggeschossen, er hatte keine Nase mehr und kein linkes Ohr. Blut sickerte wieder aus den aufgerissenen Wunden, der Verletzte wimmerte und wand sich in den Lederriemen, die man ihm schnell überwarf. Sehen konnte er nichts, ein riesiges Hämatom schloß ihm beide Augen.
    »Man kann's auch anders machen!« sagte die Stimme Lisas hinter Dr. Urban. Der drehte sich nicht um, aber er schielte zu den beiden Sanitätern, die geflissentlich weg sahen. »Nun haben wir eine frische Blutung. Sollten Sie nicht wissen, daß Verbandmull an nässenden Stellen festklebt, weil das Wundsekret eintrocknet? Es wäre einfacher gewesen, mit einem Mullappen und einer wäßrigen Lösung mit H 2 O 2 den Verband aufzuweichen und dann abzulösen.«
    »Was man nicht alles verlernt hat«, sagte Dr. Urban spöttisch. »Wirklich … jetzt erinnere ich mich daran. Steht das nicht auch sogar im Handbuch für Erste Hilfe …?«
    Dr. Mainetti wandte sich ab und ging zu der Trage, auf der Erich Schwabe lag. Dr. Urban fuhr herum, als er die Sanitäter grinsen sah.
    »Mull, Tupfer und eine Schere, ihr traurigen Säcke!« brüllte er. »Stehen hier herum wie Bettnässer, die auf eine trockene Matratze warten!«
    Lisa Mainetti beugte sich über den klebrigen, verbundenen Kopf Schwabes. Sie tastete nach seiner Hand, fühlte den Puls und las den Laufzettel, der Schwabe auf der Brust lag.
    »Können Sie mich verstehen?« fragte sie. Schwabe nickte und drückte ihre Hand. Eine Frau, dachte er. Gott sei Dank, es ist nicht dieses Aas mit der kalten Stimme.
    »Haben Sie Schmerzen?«
    Schwabe nickte.
    »Sie werden gleich eine Morphin-Injektion bekommen. Dann spüren Sie nichts mehr. Und haben Sie keine Angst. Es wird alles wieder gut werden. Ich werde mir jetzt Ihren Kopf ansehen.«
    Schwabe fühlte, wie man etwas Nasses über sein Gesicht legte. Es durchdrang den Mull und kühlte wohlig seinen brennenden Kopf. Dann

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