Das Gesetz der Balance - chinesisches Gesundheitswissen für ein langes Leben
verschlechterte sich der Befund unverzüglich. Als angehender Wissenschaftler bat er seine Mitbewohner, ihn zu »verblinden«: Er nahm Getränke zu sich, bei denen er nicht wusste, ob sie die wirksame Pflanze enthielten oder nicht. Der Erfolg war eindeutig und führte schließlich zum Ausheilen der Erkrankung, die nie wieder aufgetreten ist!
Vielleicht ahnen Sie schon, dass ich selbst dieser junge Student war, der – aus heutiger Sicht sage ich: zum Glück!!! – diese Krankheitserfahrung machen konnte, die sein Weltbild nachhaltig veränderte. Wie jeder andere hätte ich es bis dahin nicht für möglich gehalten, dass Heilpflanzen eine solch grundlegende Wirkung haben konnten. Ohne diese Erfahrung hätte ich wohl kaum die Konsequenz entwickelt, mich einer Medizin zu widmen, die bis dahin in Deutschland nicht praktiziert worden war.
CHINESISCHE PHYTOTHERAPIE
In den mehr als 25 Jahren, in denen ich jetzt die chinesische Medizin praktiziere, blicke ich auf etwa 100.000 individuelle Verschreibungen zurück. Obwohl ein Dekokt mit chinesischen Pflanzen in der Regel keine kulinarische Delikatesse darstellt, kam doch diese erstaunliche Zahl zustande. Menschen zwischen 0 und 95 Jahren haben die von mir verschriebenen Dekokte genossen und von den Wirkungen profitiert.
Ich habe dabei immer nur Menschen behandelt, die sich in einer medizinischen Notlage befanden; Wellness-Behandlungen lehne ich grundsätzlich ab. Im Laufe der Jahre habe ich daher ein Gefühl dafür bekommen, wie groß die Zahl der Menschen ist, die mit den Errungenschaften der westlichen Medizin nicht zufrieden sind – nicht zufrieden sein können!
Viele rein schulmedizinisch geprägte Kollegen schauen eifersüchtig auf das Interesse an der TCM und reagieren gekränkt, wenn die Patienten »fremdgehen«. Diese Ärzte haben den Eindruck, dass die Schulmedizin die medizinische Schwerarbeit leisten muss und die Naturheilkunde ein Spiel mit der Leichtgläubigkeit der Menschen treibt. Wer dies so sieht, verkennt die Notlage kranker Menschen, die etwas mit verloren gegangener Autonomie zu tun hat. Denn gesund ist man erst, wenn man sich in seiner Haut wieder wohlfühlt, eine Krankheit verarbeitet hat und sich auf seinen Organismus wieder verlassen kann. Das ist mehr, als mit Tabletten gut eingestellt und erfolgreich operiert zu sein. Gesund werden ist mehr als repariert werden. Und wer denkt, Naturheilkunde könne nur »leichte« Fälle behandeln, weiß nicht, welch großes Wissen in Systemen wie dem der chinesischen Medizin gespeichert ist.
Als Beispiel möchte ich Ihnen die Geschichte einer Patientin erzählen. Frau S. ist mir unvergesslich geblieben, weil ich bei ihr zum ersten Mal den komplexen Zusammenhang von Seele, Körper und Lebensweise ansatzweise begriffen habe. Aus schulmedizinischer Sicht stellt sich der Fall so einfach dar: Die Frau ist übergewichtig. Wenn sie nicht abnimmt, fehlt es ihr an Disziplin und sie wird später die Folgen in Form von Herz-Kreislauf-Erkrankungen tragen müssen. Wie vielschichtig das Problem jedoch ist, wenn man die psychosomatischen Zusammenhänge, genauer die Wechselwirkung zwischen Körper und Seele, berücksichtigt, wird Ihnen die Patientengeschichte deutlich machen.
info
Dekokt
In alter pharmazeutischer Tradition wird gemäß den ärztlichen Verordnungen in der Apotheke ein individuelles Getränk, ein sogenanntes »Dekokt«, hergestellt. Dies ist ein Gesamtextrakt aus den verschriebenen Pflanzen, das dann schluckweise, am besten über den ganzen Tag verteilt, damit es möglichst viele therapeutische Impulse gibt, vom Patienten getrunken werden muss.
PATIENTENGESCHICHTE
Frau S. war 43 Jahre alt und von Beruf Sekretärin, als sie zu mir wegen ihres Übergewichts in Behandlung kam. In den zehn Jahren davor hatte sie stark zugenommen, inzwischen brachte sie 108 kg auf die Waage. Sie hatte viele Diäten gemacht, jedoch ohne Erfolg. Und weil ihr alle Ärzte bisher Disziplinlosigkeit vorgeworfen hatten, wollte sie von dem Thema eigentlich gar nicht sprechen. Dafür von anderen: von einem Ekzem unter den Armen und in der Leistengegend, von ihrer starken Monatsblutung, von der Pille, die sie nicht vertragen hatte. Ich fragte nach ihren Lebensumständen und erfuhr, dass sie im Büro einer großen Firma arbeitete. Sie war dort Mädchen für alles.
Jeder mochte sie, weil sie allen half und sich für alles zuständig fühlte. Abends weinte sie oft, weil die Kolleginnen ihr noch einiges auf den Schreibtisch geknallt
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