Das Gesetz der Freiheit
geschäftlichen Charakters. Der geschäftsführende Gesellschafter, Dell Weston, besteht darauf, das Produkt seiner Fabrik, nämlich Kokain, ausschließlich an Krankenhäuser, Ärzte und Apotheken zu verkaufen. Sein Teilhaber jedoch, Jeff Bender, sieht keinerlei Grund, das Kokain nicht zu einem guten, einträglichen Geschäft zu verwenden und es uneingeschränkt an alle zum freien Verkauf zu bringen. Als Unparteiischer bin ich angerufen worden, den Streit zu schlichten und einen Schiedsspruch zu fällen. Sind beide Herren entschlossen, sich meinem Spruch, ganz gleich, wie er ausfallen möge, zu fügen?“
„Jawohl.“
„Einverstanden.“
„Sie beide sind sich doch völlig klar darüber, was geschehen würde, falls einer von Ihnen meinen Schiedsspruch nicht anerkennt? Der andere wäre dann nämlich vom Ethischen Kontrakt entbunden, er wäre absolut frei, alles zu tun, was ihm nützlich und notwendig erscheint, ohne irgendwelche Vergeltungsmaßnahmen oder irgendeine Strafe erwarten zu brauchen.“
„Wenn Dell Ihrem Spruch nicht zustimmt, werde ich ihn unter allen Umständen töten.“
„Falls Ihre Entscheidung zu meinen Gunsten ausfällt, dann werde ich unseren Gesellschaftsvertrag als gelöst betrachten und die Partnerschaft beenden – es sei denn, daß Bender mir uneingeschränkte Handlungsvollmacht erteilt.“
„Gut. Ich sehe, daß Sie beide die Lage vollkommen richtig einschätzen. Und nun würde ich gern die Gründe für und wider hören.“
Bender begann zuerst zu sprechen. „Für mich ist die Lösung des Problems schrecklich einfach. Wir sind Geschäftsleute und haben das gute Recht und sogar die Pflicht, das Erzeugnis unseres Werks mit vernünftigem Gewinn zu verkaufen. Es ist meines Erachtens undenkbar, daß es aus moralischen oder juristischen Gründen verboten sein könnte, irgendein Produkt in den freien Verkehr zu bringen und den Abnehmerkreis irgendwie zu begrenzen. Im Gegenteil, wir haben sogar die Pflicht, unser Erzeugnis frei zu verkaufen. Wenn wir uns weigern, die Droge in aller Offenheit auf den Markt zu bringen, dann fördern und unterstützen wir nur schlimme Verbrechen und machen viele Menschen aus den verschiedensten Gründen unglücklich.“
Er winkte ab, lehnte sich im Sessel zurück und griff nach seiner kleinen geschnitzten Dose. Der Unparteiische schaute Dell an.
„Wenn man Kokain zum freien Verkauf anbietet, dann bedeutet das gleichzeitig, daß man geradezu ein Bedürfnis nach einem gefährlichen und schädlichen Rauschgift weckt. Süchtige stellen eine Gefahr dar, und zwar nicht nur für sich selbst, sondern sie bedrohen auch andere, liefert man ihnen das Pulver, so setzt man die Menschheit großem Elend aus. Aus den Erfahrungen, die beim freien Verkauf von Opium und Marihuana gesammelt worden sind, weiß ich zuverlässig, daß vor allem Kinder, Frauen und Arbeiter in weitem Umfange süchtig werden und der Gemeinschaft verlorengehen. Deshalb fühle ich die moralische Verpflichtung, alles zu tun, was in meiner Macht steht, um das in unserer Fabrik hergestellte Kokain unverantwortlichen und unbefugten Händen fernzuhalten.“
Mit einem Seufzer der Erleichterung nickte er dem grauen Manne zu.
Lasitter rührte sich eine ganze Weile lang nicht. Dann streckte er die Hand aus und schaltete das Tonbandgerät ab. Lächelnd blickte er die beiden Männer an.
„Nun begreife ich, worum der Streit eigentlich geht“, sagte er. „Sie, Dell, sind ausgesprochener Moralist. Sie, Bender, sind hingegen ein normaler Geschäftsmann. Deshalb kommt es einfach darauf an, daß wir unsere Standpunkte ein wenig unter die Lupe nehmen und gegebenenfalls abstimmen und berichtigen.“
„Welches ist denn nun Ihre eigene Ansicht?“ fragte Bender gespannt.
„Die Menschen müssen absolut und uneingeschränkt berechtigt sein, alles zu kaufen, wonach ihnen der Sinn steht; es zu kaufen, wann es ihnen Spaß macht. Und die Menschen müssen das absolute und uneingeschränkte Recht haben, alles zu verkaufen, was sie wollen, wann sie es wollen, und zwar zu einem Preis, der ihnen richtig erscheint.“ Und sich an Dell wendend, fuhr Lassiter fort: „Deshalb haben Sie gar keine Möglichkeit, Bender daran zu hindern, Ihr Erzeugnis jederzeit zum freien Verkauf zu bringen.“
„Und die Folgen?“
„Glauben Sie wirklich, daß eine erhebliche, grundlegende Veränderung im Leben der Gemeinschaft die Folge wäre? Das Personal in den Krankenhäusern und die Ärzte mit ihren Helfern sind doch auch nur Menschen:
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