Das Gesetz der Vampire
möglichen Zukunft sehen. Ich gehöre allerdings nicht zu Letzteren.«
»Und das funktioniert?« Es klang unglaublich. Doch nachdem Ashton in den letzten Wochen unendlich viel »Unglaubliches« als Tatsachen am eigenen Leib hatte erfahren müssen, konnte er rein gar nichts mehr als Hirngespinst einer überspannten Fantasie abtun. Auch nicht die von Sean behauptete Fähigkeit oder die Existenz von Magie.
»Es funktioniert so ähnlich wie die Spürnase eines Hundes, nur auf einer rein astralen Ebene. Jedes Ding und erst recht jedes Lebewesen hinterlässt, wo immer es sich befindet, eine Spur seiner persönlichen Ausstrahlung, seiner Aura, wie es manche Leute nennen. Diese Aura ist auf einer feinstofflichen Ebene wie der Körpergeruch eines Lebewesens, nur mit dem Unterschied, dass die Spur, die diese Aura hinterlässt, nicht mit der Zeit vergeht wie eine Duftspur. Sie wird zwar schwächer, aber sie bleibt immer bestehen.
Durch gewisse mentale Techniken – Meditation ist ein Anfang – kannst du lernen, diese Spuren zu erkennen und zu verfolgen. Wenn du weißt, an welchem Ort sich eine Person aufgehalten hat, kannst du mit der mentalen Suche dort beginnen. Du wirst Jahre brauchen, um das zu beherrschen. Aber wenn es soweit ist, kannst du jedes Geschöpf auf dieser Welt aufspüren und sogar sein astrales Abbild sehen, das es hinterlassen hat.«
Sean zuckte mit den Schultern. »Es ist anstrengend und kraftraubend, wenn sich die gesuchte Person in großer Entfernung befindet oder ihre Spur weit in die Vergangenheit hinein reicht. Aber auf diese Weise können wir jeden finden und sogar seine Nachkommen identifizieren. Ich kann Tlalicas Nachkommen für dich aufspüren, falls es noch lebende Abkömmlinge von ihr gibt.«
Ashton blickte den alten Vampir hoffnungsvoll und verlegen zugleich an und wagte kaum, ihn um diesen Gefallen zu bitten, da ihn das, wie er gerade angedeutet hatte, sehr viel Kraft kosten würde.
Sean erriet wohl, was Ashton dachte und lächelte. »Das tue ich gern«, versicherte er. »Allerdings wird es eine Weile dauern, bis ich etwas herausfinde. Immer vorausgesetzt, das Heilmittel existiert oder existierte tatsächlich. Da ich mich aus diversen Gründen nicht nur allein damit beschäftigen kann, musst du dich auf eine längere Wartezeit einstellen.«
»Wie lange?«
»Ein paar Wochen oder sogar Monate werden es möglicherweise sein.«
Monate – in denen Ashton noch mehr in diese unerwünschte Existenz als Vampir hineinwachsen würde. Er warf Sean einen misstrauischen Blick zu und fragte sich, wie sehr sich der alte Vampir tatsächlich bemühen würde, ein Heilmittel zu finden, an dessen Existenz er gar nicht glaubte.
Wieder schien Sean seine Gedanken zu erraten. »Ich versichere dir, Ashton, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um das Mittel zu finden. Auf mein Ehrenwort. Du solltest dir aber sicherheitshalber darüber klar werden, was du tun wirst, falls es nicht existiert, was ich, ehrlich gesagt, für sehr wahrscheinlich halte.«
»Weil es noch niemand gefunden hat?«
»Auch deshalb. Davon abgesehen haben in der Vergangenheit, als die Menschen noch an Magie glaubten, unzählige gegen ihren Willen Verwandelte alle möglichen Leute kontaktiert, die von sich behaupteten, Magie zu beherrschen. Darunter waren auch solche, die über echte Heilmagie verfügten wie zum Beispiel ein gewisser Jesus aus Nazareth. Aber nicht einmal ihm ist es gelungen, einen Vampir wieder zu einem Menschen zu machen.«
»Erzähl mir nicht, du hättest Jesus gekannt!«, entfuhr es Ashton ungläubig.
Sean wiegte leicht den Kopf. »Kennen ist übertrieben. Ich bin ihm ein paar Mal begegnet und weiß aus zuverlässiger Quelle, dass mindestens ein Vampir ihn gebeten hat, ihn wieder zu einem Menschen zu machen. Es funktionierte nicht.«
Ashton musste auch das erst mal verdauen, dass der Mann ihm gegenüber, der keinen Tag älter aussah als Mitte dreißig, Jesus begegnet war und wer weiß welchen anderen historischen Persönlichkeiten ebenfalls.
»War er wirklich Gottes Sohn?«
Sean zuckte mit den Schultern. »Die Frage kann ich dir nicht beantworten. Ich weiß nur, dass er über echte Heilkräfte verfügte. Woher – keine Ahnung. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass er nur nicht die erforderliche Magie beherrschte. Magische Kräfte sind so unterschiedlich wie Sprachen. Jemand der Englisch kann, spricht oder versteht nicht zwangsläufig auch Französisch. Leider lässt sich die echte Magie nicht
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