Das Gesetz des Irrsinns
Borcherts
Draußen vor der Tür
, dem erfolgreichsten Stück der Nachkriegsära. Eine Suada der Anklage.
Gemeinsam mit der Intendantin hatte Liebeneiner den todkranken Wolfgang Borchert aufgesucht und die Zustimmung eingeholt zur Theater-Adaptation des Hörspiels, das unter gleichem Titel enorme Resonanz gefunden hatte. Standing ovations bei der Premiere des Stücks im November 47 – einen Tag nach Borcherts Tod. Liebeneiner verfilmte später das Stück unter dem Titel
Liebe 47 .
Seine Version wurde als »einer der ernsthaftesten deutschen Nachkriegs-Filme« gewürdigt, ja als »Wiedergeburt des deutschen Films« gefeiert. Liebeneiners allergrößter Erfolg jedoch wurde 1956 »Die Trapp-Familie«.
Als Student habe ich in einer Veranstaltung miterlebt, wie Liebeneiner ebenso elegant wie geschmeidig seine Rolle im Dritten Reich herunterformulierte. Auch sein Fall zeigte: In der Filmbranche setzte die sogenannte Stunde null erst mit vieljähriger Verspätung ein oder wurde schlichtweg überspielt – was sich auch bei bekannten, bei berühmten Schauspielern der NS -Ära erwies.
Zwei Namen für viele. Werner Krauß, im Dritten Reich bejubelt für seine bösartig karikierende Gestaltung von Juden im
Jud Süß
-Film und als Shylock im Wiener Burgtheater; er blieb, nach einer Phase heftiger Proteste gegen seine Auftritte, einer der Gefeierten der Zunft. Und Mathias Wieman, ebenfalls auf der »Gottbegnadetenliste«, privat zuweilen als Gast im Hause Goebbels auf Schwanenwerder, er wurde in den fünfziger Jahren zur sonoren Sonntagmorgen-Funkstimme vor allem Goethes.
Besonders krass der Fall Alfred Braun, Co-Autor des Drehbuchs zu
Kolberg
und zu
Jud Süß:
er wurde Intendant des Senders Freies Berlin. Braun hatte als Autor und Reporter zur Radioprominenz der Weimarer Republik gezählt; auch er wurde, unter windigem Vorwand, mit anderen leitenden Herren des Funks 1933 ins KZ Oranienburg eingewiesen, kam nach einigen Wochen frei, emigrierte sogleich in die Türkei, wechselte über in die Schweiz, leitete das Basler Theater, kehrte nach Beginn des Weltkriegs heim ins Reich, lieh Harlan die rechte Schreibhand, überlebte den Krieg, gehörte zur Prominenz der Adenauer-Ära. Hoffentlich erscheint mal eine kritische Biographie über ihn.
Auch der »barocke Faschist« Harlan, wohlwollend entnazifiziert, konnte ein halbes Jahrzehnt nach der Kapitulation wieder tätig werden. Unmittelbar nach dem definitiven Freispruch fühlte sich die Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft »nicht mehr an das Beschäftigungsverbot gebunden«, Harlan erhielt sogleich Aufträge.
1951 gelangte sein Film »Unsterbliche Geliebte« in die Kinos – frei nach einem Drama von Richard Billinger. Im Dritten Reich war der »Blut-und-Boden-Autor« häufig gespielt worden; 1939 hatte er für Harlan ein Drehbuch verfasst; von ihm übernahm Harlan 1942 auch die Vorlage zum Film »Die goldene Stadt«. Nun also: Fortsetzung der Zusammenarbeit, wieder mit Erfolg. Pressebericht aus München: »Es kam bisher zu keinen Aufführungsstörungen, wohl aber zu kleinen Schlägereien des an den Kinokassen sich um Eintrittskarten raufenden Publikums.«
Zwar wurde auch gegen das Comeback des NS -Starregisseurs protestiert, doch Harlan konnte weiter produzieren – elf Spielfilme nach dem Comeback. Einige Titel: »Die blaue Stunde«, 1952 . »Sterne über Colombo«, 1953 . »Die Gefangene des Maharadscha«, 1954 . »Verrat an Deutschland«, 1954 .
Verarbeitet wurde in »Verrat an Deutschland« die Geschichte des Doppelspions Dr. Sorge. Thomas Harlan assistierte seinem Vater beim Verfassen des Drehbuchs. Dafür unterstützte der Vater den Sohn bei der Realisierung des Schauspiels »Ich selbst und kein Engel«.
Nach Recherchen in Polen hatte Thomas Harlan eine »Dramatische Chronik« über den Aufstand im Warschauer Ghetto verfasst. Das Stück wurde einstudiert von einer Laienspielgruppe, die Harlan junior zusammengestellt hatte. Zusätzlich übernahm der junge Schauspieler Armin Müller-Stahl eine der tragenden Rollen. Proben fanden statt im Kleinen Theater der Westberliner Kongresshalle. Die Regie hatte Konrad Swinarski übernommen, seit 1955 Brechts Regieassistent im Berliner Ensemble.
»Die manchmal quälend wirre und schleppende Reportage« (laut Besprechung der »Zeit«) stellte vor erhebliche Probleme. Eins von ihnen: fremd gewordenes Jiddisch. Während der Proben erlitt Swinarski einen Nervenzusammenbruch, zog sich zum Auskurieren zurück. Müller-Stahl
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