Das Gesetz
vor ihnen herziehen«, sagte Gott, »um sie ins Land der Väter zu führen, bitte mich nicht darum, ich kann mich auf meine Geduld nicht verlassen. Ich bin ein Eiferer und lodere, und du sollst sehen, eines Tages kenne ich mich nicht mehr und fresse sie unterwegen auf.« Und er bot Mosen an, er wolle das Volk, das nun einmal mißgegossen sei wie das güldene Kalb und an dem nichts zu bessern sei, – unmöglich könne man sich’s zum heiligen Volk aufrichten, sondern nichts bleibe übrig, als es zusammenzuschlagen, – er bot ihm an, Israel, wie es da sei, zu zerschmettern und auszutilgen, ihn selbst aber, Mosen, zum großen Volk zu machen und mit ihm im Bunde zu leben. Was Mose aber nicht wollte, sondern: »Nein, Herr«, sagte er, »vergib ihnen ihre Sünde; wo nicht, so tilge mich auch aus deinem Buch, denn ich will’s nicht überleben und kein heilig Volk werden für meine Person statt ihrer.« Und er nahm Gott bei der Ehre und sprach: »Stelle dir, Heiliger, das doch vor: Wenn du dies Volk nun tötest wie einen Mann, so würden die Heiden sagen, die das Geschrei vernähmen: ›Pah! Der Herr konnte mitnichten dies Volk ins Land bringen, das er ihnen geschworen hatte, er war’s nicht imstande; darum hat er sie geschlachtet in der Wüste.‹ Willst du dir das nachsagen lassen von den Völkern der Welt? Darum laß nun die Kraft des Herrn groß werden und sei gnädig der Missetat dieses Volkes nach deiner Barmherzigkeit!«
Namentlich dies Argument war es, womit er Gott überwand und ihn zur Vergebung bestimmte, wenn auch noch immer mit Einschränkung nur, denn die Verkündigung wurde ihm allerdings, daß von diesem Geschlechte keiner das Land der Väter sehen solle, außer Joschua und Kaleb. »Eure Kinder«, entschied der Herr, »will ich hineinbringen. Aber die jetzt über zwanzig sind ihres Alters, die sollen das Land nicht mehr sehen, sie sind mit ihren Leibern der Wüste verfallen.« »Gut, Herr, es soll gut sein«, antwortete Mose. »Dabei wollen wir’s lassen.«
Denn da der Bescheid mit seinen und Joschua’s eigenen Ansichten wohl übereinstimmte, argumentierte er nicht weiter dagegen. »Laß mich nun die Tafeln erneuern«, sagte er, »daß ich den Menschen dein Kurzgefaßtes herniederbringe. Am Ende war es ganz gut, daß ich die ersten im Zorn zerschmetterte. Es waren ohnedies ein paar ungeratene Lettern darin. Ich will dir nur gestehen, daß ich unter der Hand daran dachte, als ich sie zerscheiterte.« Und wieder saß er, von Joschua heimlich getränkt und geatzt, und metzte und meißelte, schrubbte und glättete, – saß und schrieb, mit dem Handrücken manchmal die Stirn wischend, griffelnd und spachtelnd die Schrift in die Tafeln, – die wurden besser sogar als das erstemal. Danach strich er wieder die Lettern mit seinem Blute aus und stieg hinab, das Gesetz unter den Armen.
Israel aber ward angesagt, daß es die Trauer beenden und seinen Schmuck wieder anlegen solle, – ausgenommen die Ohrringe natürlich: die waren zu bösem Zwecke vertan. Und alles Volk kam vor Mose, daß er ihm das Mitgebrachte überhändige, die Botschaft Jahwe’s vom Berge, die Tafeln mit den zehn Worten.
»Nimm sie hin, Vaterblut«, sagte er, »und halte sie heilig in Gottes Zelt, was sie aber besagen, das halte heilig bei dir im Tun und Lassen! Denn das BündigBindende ist es und Kurzgefaßte, der Fels des Anstandes, und Gott schrieb’s in den Stein mit meinem Griffel, lapidar, das A und O des Menschenbenehmens. In eurer Sprache hat er’s geschrieben, aber in Sigeln, mit denen man notfalls alle Sprachen der Völker schreiben kann; denn Er ist der Herr allenthalben, darum ist sein das ABC, und seine Rede, möge sie auch an dich gerichtet sein, Israel, ist ganz unwillkürlich eine Rede für alle.
In den Stein des Berges metzte ich das ABC des Menschenbenehmens, aber auch in dein Fleisch und Blut soll es gemetzt sein, Israel, so daß jeder, der ein Wort bricht von den zehn Geboten, heimlich erschrecken soll vor sich selbst und vor Gott, und soll ihm kalt werden ums Herz, weil er aus Gottes Schranken trat.
Ich weiß wohl, und Gott weiß es im voraus, daß seine Gebote nicht gehalten werden; und wird verstoßen werden gegen die Worte immer und überall. Doch eiskalt ums Herz soll es wenigstens jedem werden, der eines bricht, weil sie doch auch in sein Fleisch und Blut geschrieben sind und er wohl weiß, die Worte gelten.
Aber Fluch dem Menschen, der da aufsteht und spricht: ›Sie gelten nicht mehr.‹ Fluch ihm, der
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