Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
Mannschaftstransportbus stieg und die beiden Leichen auf der Straße liegen sah, relativierte sich diese Sympathie sehr schnell. Noch nie zuvor begegnete mir der Tod in dieser Brutalität. Der Wagen Bubacks war durchsiebt. Ich sah Blutlachen. Überall lagen Patronenhülsen herum.
Obwohl ich unheimlich aufgeregt war und den Anblick der mit Planen abgedeckten Leichen sehr gruselig fand, bemühte ich mich sofort, meinen Posten möglichst nahe der Toten zu beziehen. Dies gelang mir auch. Ich stand etwa fünf Meter neben dem auf der Fahrbahn liegenden Siegfried Buback. Dass es der GBA war, sah ich, als ein Beamter des Bundeskriminalamtes die Plane etwas hochhob und zu einem anderen sagte:
» Das ist der Generalbundesanwalt.«
In dem kurzen Augenblick konnte ich das Gesicht des Toten sehen. Mir kam es vor, als wäre es voller Blut. Als der Mann vom BKA den Leichnam wieder abdeckte, schaute noch die linke Hand des Toten hervor. Sie hatte eine seltsam bläuliche Farbe. Zwischen Daumen und Zeigfinger war eine dünne Blutabrinnspur zu sehen. Es war eine nicht sehr große, gepflegte Hand mit ebenso gepflegten Fingernägeln, die eine bläuliche Farbe hatten. Irgendwie zog diese Hand meinen Blick magisch an. Kurioserweise wartete ich darauf, dass sie sich bewegte. Aber das tat sie nicht.
Dann stellten die Kollegen von der Kriminaltechnik überall kleine Schilder mit Nummern auf und begannen zu fotografieren. Am Rande bekam ich mit, dass es Spezialisten des BKA waren, die jedoch vergessen hatten, Filme für ihre Kameras mitzunehmen. Sie mussten sich welche bei den Karlsruher Kriminaltechnikern ausleihen.
Jede der zahlreichen leeren Patronenhülsen wurde fotografiert und ihr Abstand von einem Fixpunkt aus vermessen. Danach wurden die Hülsen aufgesammelt und einzeln in Tüten verpackt.
Gleich drei Kriminaltechniker waren mit der Spurensicherung im und um das Fahrzeug befasst. Ich war fasziniert von der Ruhe und Akribie, mit der die Beamten zu Werke gingen, obwohl zu diesem Zeitpunkt schon von allen Seiten Reporter Bild- und Tonaufnahmen machten.
Bei all dem vergaß ich fast meine eigentliche Aufgabe, den Tatort gegen Schaulustige abzusperren. Die ganze Zeit hatte ich den Leuten den Rücken zugedreht, um selbst auf das furchtbare Geschehen schauen zu können. Auf einen mahnenden Blick des neben mir stehenden Kollegen drehte ich mich um– und sah in tief betroffene Gesichter. Dann breitete ich meine Arme aus, drängte die Menge mit kleinen Schritten und mit den Worten: » Treten Sie bitte etwas zurück«, ein wenig nach hinten. Ich hatte einen Kloß im Hals, und meine Stimme kam mir viel zu leise, fast piepsend vor. Doch die Menschen reagierten. Stumm folgten sie meiner Anweisung.
Ich sah, wie manche miteinander flüsterten. Andere wiederum schüttelten nur den Kopf. Kein lautes Wort drang an mein Ohr. Selbst die Beamten, die es gewohnt waren, ihre Befehle laut zu geben, waren sichtlich um Ruhe und Pietät bemüht.
Irgendwann wurden die Leichen der Ermordeten abtransportiert. Ich schluckte, weil ich plötzlich einen trockenen Mund hatte. Das war es dann wohl, dachte ich. Das Ende des Chefanklägers der Bundesrepublik Deutschland.
Wir mussten noch eine ganze Weile den Tatort absichern, bis die Kriminaltechniker des BKA endlich mit ihrer Arbeit fertig waren. Zurück in der Polizeischule, versuchte unser Lehrgangsleiter mit betroffener Miene die Folgen dieses Anschlages zu erklären. Es dauerte nicht allzu lange, bis wir sie am eigenen Leib zu spüren bekamen.
Einige Wochen danach mussten wir ein Praktikum absolvieren und wurden auf verschiedene Polizeireviere verteilt. Ohne große Ahnung nahmen wir unmittelbar an der Terroristenfahndung teil. Ich wurde einem Polizeihauptmeister zugeteilt, der mich einlernen sollte. Er hatte sehr viel Erfahrung im Umgang mit Menschen, doch schaffte er es während des gesamten sechswöchigen Praktikums nicht, sich meinen Namen zu merken. Am fünften Tag gab ich es auf, ihn zu berichtigen. Ich fand mich damit ab, ständig Theo von ihm genannt zu werden.
In dieser Zeit gingen wir unzähligen Hinweisen aus der Bevölkerung nach oder bekamen Ermittlungsaufträge von Vorgesetzten, um bestimmte Adressen und Wohnungen zu überprüfen. Das BKA hatte eine sogenannte Rasterfahndung ausgearbeitet, mit der die Terroristen aufgespürt werden sollten. Unter anderem wurden in ganz Deutschland alle Mehrfamilienhäuser und deren Bewohner unter die Lupe genommen. So auch in und um Karlsruhe. Damit, so hoffte
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