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Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Titel: Das Gift der Schmetterlinge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.E. Higgins
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er hatte mit dem Verkauf von »echten Holzsplittern« der Arche Noah eine ganze Stange Geld verdient, und auch mit einem tanzenden Frettchen war er erfolgreich gewesen (bis zu dessen Tod). Schon in jungen Jahren ein Meister in der Kunst, andere nachzuahmen, hatte er seinen ursprünglichen Akzent sowie seine wahre Identität längst abgelegt (sein richtiger Name lautete Jereome Hogsherd und begonnen hatte er sein Leben als einfacher Bauer). Er konnte nach Belieben zwischen der einen und der anderen Redeweise wechseln, was ihm erlaubte, sich sowohl zwischen den Untersten der Unteren zu bewegen als auch – was er vorzugsweise tat – in gehobenen Gesellschaftskreisen. Auch einen französischen Akzent hatte er in seinem Repertoire – einmal hatte er sich sehr erfolgreich als Pariser Kartenkünstler ausgegeben – und er konnte nach Art der Franzosen beim Sprechen das H weglassen und munter parlieren.
    Gulliver Truepins Erfolg auf dem Gebiet der Betrügereien, auf den er sehr stolz war, ließ sich an der beträchtlichen Summe ermessen, die er inzwischen angehäuft hatte. Anders als andere in diesem Gewerbe hatte er sein Geld nicht mit Alkohol, Frauen oder anderen fragwürdigen Zerstreuungen vergeudet. Nein, Gulliver Truepin hatte stets ein Auge auf die Zukunft gerichtet – im wahrsten Sinn des Wortes. Und die Zukunft war jetzt. Er war des Nomadendaseins überdrüssig und wollte endlich die Früchte seiner unehrlichen Arbeit genießen. Er wollte sich niederlassen, und zwar nicht etwa auf alltägliche Weise. Seine Ziele waren höher gesteckt. All seine bisher unternommenen gewöhnlichen Tricks und Schwindeleien sollten lediglich als Sprungbrett zu einem ganz großen Identitätswechsel dienen, der ihm den luxuriösen Lebensstil bescheren würde, nach dem er sich immer gesehnt und den er seiner Meinung nach auch verdient hatte.
    Doch um all das zu erreichen, brauchte er noch mehr Geld. Er hatte auch bereits einen Plan und der erste Schritt dazu sollte an diesem Abend eingeleitet werden. Die Methode war simpel, geradezu altmodisch, hatte sich aber in den meisten Fällen als äußerst wirksam erwiesen und verlangte nur ein Minimum an Risiko und Täuschungsmanöver. Für einen Mann wie Gulliver Truepin kaum ein Problem.
    Es handelte sich um eine alte Kamelle: Erpressung.
    Von seiner Unterkunft aus konnte Truepin gegenüber das Wirtshaus Zum Flinken Finger sehen. In fünfzehn Minuten hatte er dort eine Verabredung. Er ging zum Bett, auf dem zweierlei Kostüme bereitlagen. Qualität und Aussehen der Kleidungsstücke hätten unterschiedlicher nicht sein können. Auf der einen Seite lag eine elegante schwarze Samtjacke mit dazugehörigen Kniebundhosen, auf der anderen ein grobes, grau verblichenes Hemd samt einer fadenscheinigen Weste. Bedauernd strich Truepin über den Samt. Doch dieser Abend war nicht dazu geeignet, seiner Vorliebe für gute Qualität nachzugeben. Er kleidete sich also in das letztere Gewand, widerwillig, als könne er es kaum auf der Haut ertragen. Zuletzt warf er sich einen zerschlissenen braunen Umhang über, blickte auf die dazugehörigen geflickten, abgewetzten Schuhe und schüttelte den Kopf.
    Nicht mehr lange, dachte er, und ich bin die Fetzen ein für alle Mal los. Heute konnte er diese Unannehmlichkeit noch einmal hinnehmen, weil er wusste, dass ein Ende in Sicht war.
    Es dämmerte schon, als Gulliver die Straße überquerte. Ein dunkelhaariger Junge mit neugierigem Blick, merkwürdig dünn angezogen bei diesem Wetter, lief auf halbem Weg in ihn hinein. Truepin, der ihn für einen Taschendieb hielt, packte ihn drohend am Kragen, schüttelte ihn ordentlich durch und verschwand dann im Flinken Finger . Er setzte sich in eine dunkle Ecke und bestellte einen Krug Bier und zwei Gläser (viel lieber wäre ihm natürlich Schaumwein gewesen, aber den gab es hier nicht). In seiner Aufmachung konnte er sich absolut unauffällig unter den Gästen bewegen. Aber das war ohnehin nicht schwer, weil sich im Flinken Finger keiner gern in die Karten schauen ließ. Truepin wartete und nippte ab und zu mit Todesverachtung an seinem warmen Bier.
    »Truepin?«
    Als er den Kopf hob, sah er einen untersetzten Kerl in dunklem Mantel und Hut, der sich schwankend über den Tisch beugte. Truepin nickte. Schwerfällig ließ sich der Neuankömmling neben ihn auf einen Stuhl fallen.
    »Bier?«, bot Truepin an, obwohl er aus dem schläfrigen Auftreten und der geröteten Nase des Mannes schloss, dass dieser bereits ordentlich Gin

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