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Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Titel: Das Gift der Schmetterlinge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.E. Higgins
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düsteren Platz stehen. Anscheinend hatte er recht gehabt. Solche Straßenjungen hielten sich an keine Abmachungen. Doch immerhin war er frei und bei diesem Gedanken durchströmte ihn Erleichterung. »Gerissene Bengel«, murmelte er mit fast unverhohlener Bewunderung. »Wenigstens habe ich mein Leben behalten, wenn schon nicht meine Kleider.«
    Nichtsdestotrotz stand er nun ohne Mantel, ohne Mütze und ohne Schuhe auf der falschen Seite der Stadt. Er musste zur Brücke zurück.
    Aber in welche Richtung?
    »Na bitte, Hector«, sagte er reumütig zu sich selbst, »du wolltest ein Abenteuer, jetzt hast du es.«
    Hector, wie viele seinesgleichen, führte auf der Nordseite der Stadt Urbs Umida ein angenehmes und kultiviertes Leben ohne große Sorgen. Im Gegensatz zu den meisten genügte ihm das jedoch nicht. Er suchte etwas anderes. Südlich des Flusses, wo er sich jetzt befand, glaubte er, dieses Etwas möglicherweise gefunden zu haben. Die mit Unrat übersäten Gassen waren enger, die Fahrstraßen voller Schlaglöcher, in den Rinnsteinen stand immer eine morastige Dreckbrühe. Die verrußten, heruntergekommenen Häuser mit ihren zum größten Teil zerbrochenen Fensterläden und Scheiben standen so dicht beisammen, dass zwischen ihnen ein Gewirr enger Gässchen entstanden war. Menschen hasteten durch die düsteren Straßen, hüteten ihre Geheimnisse und führten oft nichts Gutes im Schilde. Und erst der Gestank! Aber Hector war fasziniert. Trotz all der Schrecken fühlte er sich hier so richtig lebendig.
    Plötzlich legte ihm jemand die Hand auf die Schulter. Hector fuhr herum und sah, dass einer der Jungen hinter ihm stand, der kleine.
    »Was willst du denn noch?«, fragte Hector verzweifelt. »Etwa auch meine Hosen?«
    »Nee!«, sagte der Junge beinahe beleidigt. »Ich will bloß die Antwort wissen. Dann sag ich dir auch, wie du hier rauskommst«, bettelte er. »Is ’n gefährliches Pflaster für ein’ wie dich. Du wirst noch viel mehr Probleme kriegen wie mit uns.«
    Hector lächelte. »Also gut«, sagte er und verriet ihm die Lösung. *
    Ratlos verzog der Junge sein schmutziges Gesicht. »Kapier ich nich«, sagte er, und ehe Hector reagieren konnte, hatte ihm der Junge etwas in die Hand gedrückt und rannte davon.
    »Warte!«, rief Hector hinter ihm her. »Wie finde ich hier raus?«
    »Immer links«, kam die Antwort. »Vorbei an der Squid’s Gate Lane und der Old Goat’s Alley, dann über den Friedhof. So kommst du direkt zum Fluss.«
    In Hectors Hand lag der schwarze Kokon. »Danke!«, rief er, aber der Junge war schon weg.

Kapitel 2

    Gulliver Truepin
    G
ulliver Truepin trat ans Fenster und stellte sich instinktiv so hin, dass er nicht gesehen werden konnte. Von hier oben im vierten Stock hatte er einen weiten Blick über die schmutzige Stadt bis hin zu dem träge dahinströmenden Fluss. Ohne nachzudenken, stützte er sich mit der Hand an der Wand ab, nahm sie aber schnell wieder zurück und verzog angewidert das Gesicht. Die Wand fühlte sich klebrig an, und mit welchem Zeug sie beschmiert sein könnte, mochte er sich lieber nicht vorstellen. Schnell wischte er sich die weiße schlanke Hand an seinem Taschentuch ab.
    Truepin war vor etlichen Jahren schon einmal in Urbs Umida gewesen. Er hatte die Stadt nicht vermisst und war auch nur zurückgekehrt, weil sich auf seinem Arbeitsgebiet – dem professionellen Betrug – in Urbs Umida mehr als genug potenzielle Opfer finden ließen. Allerdings nicht auf dieser Seite des Flusses – hier waren die Menschen zu raffiniert, um auf seine Tricks hereinzufallen, viele spielten ja dasselbe Spiel. Nein, dachte Truepin, während er nach Norden über den Fluss Foedus auf die roten Ziegeldächer, die glänzenden Türen und die breiten weißen Gehwege blickte, sein Ziel lag bei denen auf der anderen Seite. Die Reichen bedeuteten schnelles Geld und waren leicht zu täuschen, weil sie so verblendet waren von ihrer eigenen Gier. Sie verdienten, was sie bekamen.
    Doch als Erstes musste er eine Möglichkeit finden, sich leicht und selbstverständlich unter ihnen zu bewegen.
    Truepin blickte in den kleinen, von Fliegendreck übersäten Wandspiegel, schob kurz seine Augenklappe hoch und betrachtete seine vernarbte Augenhöhle mit dem darin eingebetteten Glasauge. Die Narbe, längst nicht mehr so wulstig wie früher und nach all den Jahren schon ziemlich verblasst, erschien ihm nicht so schlimm, aber das Glasauge war nicht gerade ein angenehmer Anblick. Es war inzwischen trüb

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