Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gift des Boesen

Das Gift des Boesen

Titel: Das Gift des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
Vom Netzwerk:
daß er es ihm jetzt, da es hart und groß wurde, beinahe wie ein Fremdkörper vorkam.
    »Du wirst dich wieder daran gewöhnen«, hörte er die Stimme des Vorauseilenden. »Falls wir uns einig werden.«
    Ein brennendes Gefühl züngelte über Steens Rückgrat. Im Laufen beugte er sich weit vor und riß den Kopf in den Nacken. Als er nach vorn blickte, sah er, daß er in dieser Haltung sogar kleiner war als der Zwerg. Er wollte sich wieder aufrichten, aber es ging nicht.
    »Es ist ungehörig«, sagte der Zwerg, »wenn der Diener auf seinen Herrn hinabblickt - siehst du das ein?«
    Steen war nicht in der Lage, die Wut, die irgendwo im Kern seiner Seele aufkam, nach außen dringen zu lassen.
    »Ja«, sagte sein Mund.
    Über eine Treppe folgte er dem Zwerg in das Kellergewölbe des Hauses, wo er sich den Rest der gewittrigen Nacht aufhielt.
    Als der Morgen graute, mußte er sich entscheiden.
    Tod oder Leben.
    Diener oder Opfer.
    Raoul Steen machte sich die Wahl nicht leicht. Er überlegte ernsthaft. Dennoch, am Ende kam der Kontrakt zustande. Und noch bevor die Sonne wie eine rote Münze über dem Horizont aufstieg, verließ Steen auf einer neuen Krücke, die wie die alte aussah, das Haus am Ende der Gasse - das Haus im Schatten der Zitadelle.
    Genauso, wie er sich in der Nacht dorthin begeben hatte, ein Bein lahm, das andere stark und gesund, hinkte er über das regennasse Pflaster durch die erwachende Stadt zurück zu seinem Haus.
    Äußerlich war er immer noch Raoul Steen, der Uhrmacher.
    Aber innerlich war er völlig verwandelt .
    *
    Die Werkstatt blieb an diesem Tag geschlossen. Steen hatte auch nicht vor, sie in den kommenden Tagen zu öffnen. Als er heimkam, schob er einfach den Riegel vor, ohne sich die Mühe zu machen, ein paar erklärende Worte auf ein Schild zu kritzeln. Allzu viele Kun-den würden sich ohnehin nicht zu ihm verirren.
    Sein erster Weg führte ihn in den muffigen feuchten Keller seines Hauses. Dort bewahrte er allerhand Gerümpel auf, das er ebensogut mit der Axt hätte kleinmachen und im Ofen verbrennen können, denn hier unten faulte es nur vor sich hin.
    In einer Ecke stand eine eisenbeschlagene Truhe, der sich Steen im Schein einer mitgebrachten Kerze näherte. Der Schlüssel, der in das rostige Schloß paßte, hing an einer Kette um seinen Hals.
    Der Zwerg, erinnerte sich der Uhrmacher, hatte ihn nach dem Sinn des Schlüssels befragt, und natürlich hatte er ihm die Wahrheit gesagt. Auch im nachhinein wunderte sich Steen nicht, wie leicht ihm dies gefallen war. Alles Schwere im Haus des Gnomen schien von einer Gegenkraft aufgehoben zu sein.
    Lächelnd schob Steen den Schlüssel ins Schloß. Die Verriegelung löste sich knarrend, und der Uhrmacher hob den Deckel der bis zum Rand mit Salz gefüllten Truhe.
    Eine Weile zögerte er, dann tauchte er mit beiden Händen in die körnige Schicht und tastete nach dem, was sich darunter befand.
    Das Salz überdeckte den lästigen Geruch. Vorsichtig legte Steen die Stelle frei, unter der er das Gesicht verborgen wußte.
    Es war längst nicht mehr schön, aber im Tode dennoch leichter zu ertragen als im Leben.
    »Marie«, flüsterte Steen, mit einem Krampf in der Kehle, der sich nur langsam löste. Und tränenerstickt fügte er hinzu: »Wir werden bald wieder tanzen, Marie. Er hat es mir versprochen. Er hat mir so viel versprochen ...!«
    *
    363 Jahre später, im Dschungel Yucatans
    Gegenwart
    Der Indianer kauerte im Schatten eines Urwaldriesen, den Rücken gegen die narbige Rinde des Stammes gelehnt, das Gesicht in den eigenen narbenübersäten Händen vergraben, und nahm ein Bad in seinen widerstreitenden Gefühlen.
    Das Chaos tobte in ihm. Aber über all dem schwelenden Zorn, über aller Verzweiflung lag dumpfe Apathie, schwebte der Wunsch, sich nie mehr von dieser Stelle zu rühren, sich nie mehr zu erheben, und statt dessen hier sein Leben zu beschließen.
    Seine Umgebung füllte sich allmählich wieder mit Geräuschen; mit den Stimmen, den Schritten, dem Flügelschlag derer, die zuvor -als Zeugen des Aufeinanderpralls zweier furchtbarer Gegner - geflohen waren.
    Das Getier kehrte zurück. Bald würden Raubkatzen die Witterung des Mannes am Fuß der Ceiba aufnehmen - und sich auch nicht von dem gar absonderlichen Geruch verjagen lassen, den dieser Mensch ausströmte und der ihn von all denen unterschied, welchen sie vielleicht schon begegnet waren.
    Weil er kein Mensch war.
    Nicht mehr.
    Oder doch ... wieder ...?
    Hidden Moon lauschte in sich. Die

Weitere Kostenlose Bücher