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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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ihres Vaters hinab zu Johanna. Ruth sollte in Cousine Annas Zimmer schlafen – war dort schonalles vorbereitet? Konnte man nicht anstelle der verwaschenen Tagesdecke einen frischen geblümten Überwurf aufs Bett legen? Und würde der kleine Schrank für Ruths Gepäck reichen? Wie Wanda ihre Mutter kannte, brachte diese sicher Berge von Kleidern mit – vielleicht konnte Magnus wenigstens eine weitere Kleiderstange zwischen Fenster und Schrank anbringen?
    Mit gekräuselter Nase lief Wanda durch den Raum. Täuschte sie sich, oder hing der Mief von Mottenkugeln in der Luft? Vielleicht sollte man Schalen mit getrockneten Rosenblättern aufstellen … Auf Knien rutschte sie halb unters Bett – waren wirklich die letzten Staubflusen aufgewischt worden?
    Irgendwann wurde es Johanna zu bunt. In diesem Haus habe Ruth ihre Kindheit und Jugend verbracht, und es habe ihren Ansprüchen genügt. Ihre Schwester wisse, daß sie keinen Palast zu erwarten habe. Und nein, man werde nicht in der guten Stube speisen, sondern wie jeden Tag in der Küche. Für feine Tischwäsche und derlei Mätzchen habe im Hause Steinmann-Maienbaum niemand Zeit. Am Ende sagte Johanna noch, daß Wanda sie mit ihrem Geflatter an ein flügelschlagendes Huhn erinnere. Und daß sie solchen Hühnern am liebsten den Hals umdrehe …
    Halb lachend und halb verärgert mußte sich Wanda Johannas Auffassung beugen.
    Dann würde sie sich eben Richards Hütte vornehmen. War das nicht sowieso viel wichtiger? Mutter sollte schließlich einen guten Eindruck von ihrem neuen Zuhause gewinnen!
    Auf dem Weg durch Lauscha versuchte Wanda, alles mit Ruths Augen zu sehen.
    Zum Glück war es Sommer! Im Sonnenlicht erschienen die mit Schiefer ummantelten Häuser nicht gar so düster,ganz im Gegenteil, das Spiel von Licht und Schatten, von Hell und Dunkel wirkte sehr fröhlich. In den kleinen Gärten neben den Häusern lugte zartes Kohlrabi- und Möhrengrün aus der Erde, die Beete waren sauber gehackt und frei von Unkraut, soweit Wanda das beurteilen konnte. Der Kirschbaum im Garten von Karl dem Schweizer Flein war über und über mit winzigen, noch gelben Kirschen übersät, vielleicht würden die Früchte bis zu Ruths Besuch reifen? Bestimmt würde Karl ihr eine Schüssel davon abgeben – Mutter liebte Kirschen. In New York mußte Ruth dafür einen der unzähligen Feinkostläden aufsuchen. Wanda wollte ihr auf alle Fälle klarmachen, daß sie dieses einfache, ländliche Leben dem in der Großstadt vorzog.
    Wanda seufzte zufrieden. Ja, so würde sie mit Mutter reden.
    Aber was war das? Abrupt blieb sie stehen und runzelte die Stirn.
    Mußte die Witwe Grün ihre Abfälle unbedingt direkt vor dem Haus stapeln? Und mußten die mageren Ziegen vom Nachbarhaus ausgerechnet die Löwenzahnblüten am Rande der Straße abknabbern? Die gelben Farbtupfer hätten einen solch schönen Blickfang abgegeben …
    Ein paar Häuser weiter machte sie erneut halt und hielt die Nase wie ein Hund, der Witterung aufnimmt, in die Luft. Täuschte sie sich oder wehte hier der Geruch eines stillen Örtchens bis auf die Straße herüber?
    Am liebsten wäre Wanda in jedes Haus gegangen, hätte den Leuten gesagt: Stellt Blumen ins Fenster! Repariert eure halbzerfallenen Gartenzäune! Bringt alles in Ordnung, damit Mutter es hier schön findet! Statt dessen hastete sie ins Oberland. Vielleicht – wenn sie Mutter auf dem Gang durch Lauscha in komplizierte Gesprächeverwickelte, sie ablenkte – würden ihr solch kleine Mängel gar nicht auffallen …

    Unter Richards konsterniertem Blick stellte Wanda Wiesenblumen auf den Tisch – eine Tischdecke konnte sie im ganzen Haus nicht auftreiben. Sie erwärmte Wasser und wusch unter Richards Argusaugen sämtliche Glasteile, die er auf langen Regalen wie Trophäen sammelte. Als endlich jedes Glas staub- und fleckenfrei funkelte, fiel Wandas Blick auf ein unscheinbares Metallteil über dem Herd. Das war doch … eine Backform, wahrscheinlich noch von Richards Mutter! Wanda nahm sie vom Haken und polierte sie, bis das Kupfer rotgolden glänzte. Zufrieden hängte sie die Form dann wieder über dem Herd auf. Sie klopfte die gewebten Bodenläufer so lange hinterm Haus auf einer Stange aus, bis sie in Schweiß gebadet war. Die Teppiche waren

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