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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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danach zwar sauber, aber ihre Farben blieben verschossen, ihre Ränder ausgefranst.
    Doch an ein paar alten Teppichen würde sich Ruth bestimmt nicht stören, oder? Richard steckte seine ganzen Verdienste in sein Geschäft, zudem hatte er andere Dinge zu tun, als sein Zuhause zu schmücken. Bestimmt würde Mutter erkennen, daß eine weibliche Hand in der kleinen Hütte wahre Wunder bewirken konnte – oder?

5. K APITEL
    Â»Wie großzügig das alles geworden ist – ich erkenne unsere alte Werkstatt kaum wieder!« Kopfschüttelnd machte Ruth eine allumfassende Handbewegung. Die aufwendigplissierten, spitzenbesetzten Ärmel ihres Kleides kamen dabei bedenklich nahe an eine Glasbläserflamme. Hastig zog sie ihren Arm zurück.
    Wanda seufzte stumm in sich hinein. War es nicht typisch Mutter, daß sie ihren ersten Auftritt in einem derart vornehmen Kleid haben mußte? Das vielleicht zu einer Theaterpremiere in New York gepaßt hätte, aber völlig deplaziert war an diesem Ort, wo am offenen Feuer gearbeitet wurde, wo ständig Leute hin und her liefen, die Arme voller Glaswaren, Kartons oder Seidenpapier, wo es nach Chemikalien stank und nach ungewaschenen Leibern.
    Ruth klatschte in die Hände, und die goldenen Armbänder an ihrem Handgelenk klimperten dazu. »Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie glücklich ich bin, nach so langer Zeit wieder einmal hierzusein! Diese Atmosphäre … Dieses Heimelige … In New York bekomme ich ja immer nur das Endprodukt eurer Arbeit zu sehen. Und jetzt stehe ich hier, inmitten der vielen Glasrohlinge, der Farben und des Versilberungsbads. Wie in früheren Zeiten – ach, wie traumhaft !«
    Belustigt bemerkte Wanda, die mit Sylvie auf dem Arm am Fenster saß, wie Cousine Anna der Tante aus Amerika einen argwöhnischen Blick zuwarf – im Gegensatz zu ihrem Bruder Johannes, der fast ehrfürchtig auf den Gast starrte.
    Johanna schmunzelte. »Das erste, was Peter und ich getan haben, als wir unsere Werkstätten zusammenlegten, war, die Wand zu Peters Haus durchzubrechen. So ist dieser große Raum hier entstanden. Aber eigentlich reicht der Platz vorne und hinten nicht mehr aus, wir überlegen seit Jahren, ob wir die ganze Produktion nicht vollständig auslagern sollten. Doch bisher …« Sie verdrehte die Augen. »Vor lauter Arbeit hab ich nicht einmal die Zeit, mich nach einem geeigneten Gebäude umzusehen.«
    Â»Ihr könnt doch nicht allen Ernstes mit dem Gedanken spielen, unser Elternhaus zu verlassen?« Ruths Stimme hatte einen fast scharfen Ton angenommen.
    Das sagte ja genau die Richtige! Wanda schaute hinüber zu Johanna, gespannt auf deren Antwort, doch die Tante zuckte nur unverbindlich mit den Schultern, was alles und nichts bedeuten konnte.
    Â»Fünf Bolge, dazu ein eigenes Lager für Rohlinge und Fertigprodukte … Das hat wirklich nichts mehr mit Vaters alter Werkstatt gemein.« Ruth sah von ihrer Schwester zu Peter, ihrem Schwager. »Natürlich war mir klar, daß ihr heutzutage in einem ganz anderen Stil Christbaumschmuck herstellt als früher – ich meine, diese Mengen an Kugeln könnte man ja gar nicht an einem einzigen Bolg blasen. Aber daß ihr derartig professionell arbeitet …«
    Â»Ja, man glaubt es kaum, auch bei uns ist die Zeit nicht stehengeblieben«, sagte Peter mit leicht ironischem Unterton. »Aber falls es dich beruhigt – manches ist noch genau so, wie du es von früher kennst. Komm!« Er deutete in Richtung seines speziellen Arbeitsplatzes, wo er Glasaugen für Menschen herstellte, die durch einen Unfall oder ein anderes Unglück ihr eigenes Auge verloren hatten. Doch Ruth flatterte just in diesem Moment in die andere Richtung.
    Â»Vaters Bolg …« Vorsichtig, fast andächtig strich sie mit ihrer Hand über die geschwärzte, hölzerne Oberfläche der alten Werkbank. »Daß ihr den behalten habt! Dieser Anblick ruft so viele Erinnerungen wach …« Sie lächelte Johanna wehmütig an. »Hier hat unsere kleine Marie gesessen und ihre ersten Glaskugeln geblasen. Ganz heimlich, keiner hat etwas von ihrem Treiben geahnt, nicht einmal wir! Erinnerst du dich noch an das Weihnachtsfest, an dem sie uns mit einem geschmückten Christbaumüberrascht hat? Ihre Kugeln waren so einzigartig! Silbern und mit …« Sie runzelte die

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