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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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immer benahm. Er hatte Ruth begrüßt wie die alte Kameradin aus Jugendzeiten, die sie für ihn war – herzlich und völlig unkompliziert.
    Und was Wandas Rolle anging … Natürlich hatte die Mutter sie umarmt und so fest an sich gedrückt, als wolle sie sie nie mehr loslassen. Sie hatte Sylvie bewundert – nicht ohne gleichzeitig ihre feingezupften Brauen mißbilligend nach oben zu ziehen, als ihre Hände dabei das rauhe, abgetragene Kleidchen des Kindes berührten. »Endlich bist du da, Mutter!« hatte Wanda ihr ins Ohr geflüstert. Arm in Arm waren sie ins Haus spaziert, Wanda schon auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen für sie beide. Sie hatte der Mutter so viel zu erzählen! Von Marie, von Richard – und ihren Heiratsplänen –, von derTatsache, daß sie im Oberland, im Haus von Thomas Heimer wohnte … Das alles wollte sie der Mutter erzählen. Wegen all dieser Fragen war sie doch gekommen, oder?
    Statt dessen hatte Ruth zur Verblüffung aller den Wunsch geäußert, als erstes der alten Werkstatt einen Besuch abzustatten. Und da waren sie nun, während nebenan in der Küche der von Johanna gebackene Kuchen wartete und der Kaffee kalt wurde.
    Ruth und Johanna weinten immer noch eng umschlungen. Hilflos schaute Peter zu den beiden Frauen hinüber. »Wenn bloß dein Vater, äh, ich meine Steven, hätte mitkommen können«, flüsterte er in Wandas Richtung. Laut sagte er: »Vielleicht würde eine Tasse Kaffee helfen …« Doch er brach ab, als im selben Moment Sylvie zu plärren begann.
    Abrupt löste sich Ruth aus Johannas Umarmung. »Das arme Waisenkind! Ob die Werkstatt der richtige Ort für so ein kleines Würmchen ist?« Der Vorwurf in ihren Worten war nicht zu überhören.
    Â»Sylvie ist die Tochter einer Glasbläserin, natürlich ist die Werkstatt der richtige Ort für sie! Du hast sie mit deinem Weinen angesteckt, sonst fehlt ihr nichts. Außerdem – ich habe als Säugling auch viel Zeit in der Werkstatt verbracht, hast du mir das nicht selbst erzählt?«
    Â»Das waren doch ganz andere Zeiten.« Ruth machte eine abwehrende Handbewegung.
    Â»Aber wenn wir schon dabei sind …« Wanda räusperte sich. »Weißt du schon, wann du der Heimerschen Werkstatt einen Besuch abstatten willst? Auch dort hat sich einiges verändert.« Unwillkürlich hielt sie den Atem an.
    Â»Der … Heimerschen Werkstatt?« Ruths Lippen kräuselten sich. »Wozu? Sollte ich Thomas einmal auf der Straße über den Weg laufen, kann ich nichts daranändern. Ansonsten sehe ich keinen Grund, ihn aufzusuchen.«
    Â»Aber … Vater und Richard arbeiten viel zusammen, die Wahrscheinlichkeit, daß du ihn dort triffst, ist groß. Du könntest mit deinem Besuch gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen!« rief Wanda und spürte dabei Annas durchdringenden Blick auf sich ruhen. »Willst du denn nicht sehen, wie hübsch Vater die Zimmer für Sylvie und mich hergerichtet hat? Und dann die Hochzeit, das Kind … Es gibt doch viel zu besprechen!«
    Â»Aber nicht mit Thomas Heimer«, sagte Ruth entschieden. »Und was diesen … Richard angeht, ihn werde ich noch bald genug zu Gesicht bekommen, davon bin ich überzeugt.« Sie schaute Wanda mahnend an, dann wandte sie sich mit einem koketten Lächeln an Peter.
    Â»Sag, was ist aus der berühmten Lauschaer Gastfreundschaft geworden? Ich bin halb am Verhungern! Aber vielleicht wäre ein entspannendes Bad vorneweg noch besser – die Reise sitzt mir doch arg in den Knochen. Anna, Wanda, wärt ihr so lieb und würdet mir Wasser heiß machen?« Mit einem sehr bestimmten Blick in Richtung ihrer Nichte und einem ebenso bestimmten Blick auf Wanda rauschte Ruth zur Tür hinaus.

6. K APITEL
    Ruth hatte zittrige Beine. Und das hatte nichts mit dem steilen Anstieg von Johannas Haus hinauf ins Oberland zu tun, wo Richards Hütte stand, sondern mit der Tatsache, daß sie in wenigen Minuten zum erstenmal ihrenSchwiegersohn treffen sollte. Ihren Schwiegersohn! Allein das Wort ließ Ruths Knie noch weicher werden. Und das machte sie wütend.
    Ach, wenn sie nur mehr Zeit gehabt hätte, um sich an all die Veränderungen im Leben ihrer Tochter zu gewöhnen! Aber seit Wandas Anruf aus München waren gerade einmal drei Wochen

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