Das Glasperlenspiel
Bertram in die Tat umzusetzen. Er weiß, daß sein Opfer notwendig war, und wird nicht versuchen, es rückgängig zu machen.«
Erst jetzt verstand Knecht ihn ganz und verstummte betrübt.
Er hatte, so sah er, in der Tat diese Spieltage nicht als ein richtiger Waldzeller und Kamerad miterlebt, sondern wirklich mehr wie ein Gast, und so begriff er erst jetzt, wie es eigentlich mit Bertrams Opfer beschaffen sei.
Bisher war ihm Bertram als ein Ehrgeiziger erschienen, der einer über sein Vermögen gehenden Aufgabe erlegen war, der auf weitere Ziele des Ehrgeizes verzichten und zu vergessen suchen mußte, daß er einmal der »Schatten« eines Meisters und der Leiter eines Jahresspiels gewesen war. Jetzt erst, bei seines Freundes letzten Worten, hatte er - und war dabei jäh verstummt
- begriffen, daß Bertram von seinen Richtern völlig verurteilt
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worden war und nicht zurückkehren würde. Man hatte ihm erlaubt, das Festspiel zu Ende zu führen, und hatte dabei gerade so viel mitgeholfen, daß es ohne Skandal ablief, aber man hatte das nicht getan, um Bertram, sondern um Waldzell zu schonen.
Die Stellung eines »Schattens« verlangte nun einmal nicht nur das volle Vertrauen des Magisters - daran hatte es Bertram nicht gefehlt -, sondern nicht minder das Vertrauen der Elite, und dies hatte sich der Bedauernswerte nicht zu erhalten vermocht.
Beging er einen Fehler, so stand hinter ihm nicht, wie hinter seinem Herrn und Vorbild, die Hierarchie, um ihn zu schützen.
Und wurde er von seinen ehemaligen Kameraden nicht für voll anerkannt, so stand keine Autorität ihm bei, und seine Kameraden, die Repetenten, wurden zu seinen Richtern.
Waren sie unerbittlich, so war der »Schatten« erledigt.
Und wirklich kehrte dieser Bertram von seinem Ausflug in die Berge nicht mehr zurück, und nach einer Weile wurde erzählt, er sei an einer Steilwand zu Tode gestürzt.
Weiter wurde nicht darüber gesprochen.
Unterdessen erschienen jeden Tag hohe und höchste Beamte der Ordensleitung und der Erziehungsbehörde im Spielerdorf, und jeden Augenblick wurden einzelne aus der Elite wie aus der Beamtenschaft zu Befragungen abgerufen, über deren Inhalt nur innerhalb der Elite selbst dieses und jenes verlautete. Auch Josef Knecht wurde des öftern abgerufen und befragt; einmal von zwei Herren der Ordensleitung, einmal vom philologischen Magister, dann von Monsieur Dubois, und nochmals von zwei Magistern.
Tegularius, welcher ebenfalls zu einigen solchen
Informationen berufen wurde, war angenehm aufgeregt und machte Witze über diese Konklavestimmung, wie er sie nannte.
Josef hatte schon während der Spieltage wohl bemerkt, wie wenig von seinem einstigen engen Zusammenhang mit der Elite übriggeblieben war, und bekam es während dieser Konklavezeit
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noch deutlicher zu fühlen.
Nicht nur, daß er im Gästehaus wohnte wie ein Fremder und daß die Oberen mit ihm wie mit ihresgleichen zu verkehren schienen; die Elite selbst, die Repetentenschaft, nahm ihn nicht wieder vertraulich und kameradschaftlich auf, sondern mit einer spöttischen Höflichkeit oder zumindest mit einer abwartenden Kühle; sie war schon damals von ihm abgerückt, als er den Ruf nach Mariafels erhalten hatte, und dies war richtig und natürlich: wer den Schritt von der Freiheit in den Dienst, von der Studenten- oder Repetentenschaft in die Hierarchie einmal getan hatte, war nicht mehr Kamerad, sondern auf dem Wege zum Vorgesetzten und Bonzen, er gehörte nicht mehr der Elite an und mußte wissen, daß diese vorläufig kritisch zu ihm stehen werde. So ging es jedem in seiner Lage. Nur spürte er die Distanzierung und Kühle um diese Zeit besonders stark, einmal weil die Elite jetzt, wo sie verwaist war und einen neuen Magister erhalten sollte, sich doppelt dicht und abwehrend zusammenschloß, und dann auch, weil ihre Entschlossenheit und Unnachgiebigkeit sich soeben im Schicksal des »Schattens«
Bertram so hart gezeigt hatte.
Eines Abends kam Tegularius höchst aufgeregt ins Gästehaus gelaufen, suchte Josef, zog ihn in eine leere Kammer, schloß die Tür und sprudelte los: »Josef! Josef!
Mein Gott, ich hätte es doch ahnen können, ich hätte es wissen müssen, es lag ja gar nicht so fern... Ach, ich bin ganz außer mir und weiß wahrhaftig nicht, ob ich mich freuen soll.«
Und er, der alle Nachrichtenquellen im Spielerdorf genauestens kannte, berichtete eifrig: es sei mehr als wahrscheinlich, es sei schon so gut wie gewiß, daß Josef Knecht
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