Das Glasperlenspiel
befahl, ging er getrost und nahm die brüderliche Begrüßung der Obersten durch Handschlag und angedeutete Umarmung gefaßt mit heiterem Ernst entgegen. Es wurde ihm seine Ernennung zum Glasperlenspielmeister mitgeteilt und er zur Investitur und Vereidigung auf den übernächsten Tag in die Festspielhalle befohlen, dieselbe Halle, in welcher vor kurzem noch der Stellvertreter des entschlafenen Meisters jene beklemmende Feier absolviert hatte wie ein goldgeschmücktes Opfertier. Der freigelassene Tag vor der Investitur war einem genauen und von rituellen Meditationen begleiteten Studium der Eidesformel und der »kleinen Magisterordnung« unter Anleitung und Aufsicht zweier Obern bestimmt, diesmal waren es der Ordenskanzler und der Magister Mathematicae, und in der mittäglichen Ruhepause dieses sehr anstrengenden Tages erinnerte Josef sich lebhaft seiner Aufnahme in den Orden und der vorangehenden Einführung durch den Musikmeister. Diesmal freilich führte der Aufnahmeritus ihn nicht, wie jährlich Hunderte, durch ein weites Tor in eine große Gemeinde ein, es ging durchs Nadelöhr in den höchsten und engsten Kreis, den der Meister. Dem Alt-Musikmeister gestand er später, es habe ihm an jenem Tage intensiver Selbstprüfung ein Gedanke Mühe gemacht, ein ganz lächerlicher kleiner Einfall; er habe sich nämlich vor dem Augenblick gefürchtet, wo ihm von einem der Meister bedeutet
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werden würde, wie ungewöhnlich jung er der höchsten Würde teilhaftig werde.
Er habe ernstlich mit dieser Furcht, diesem kindisch eitlen Gedanken zu kämpfen gehabt, und mit der Lust, falls eine Anspielung auf sein Alter fallen sollte, zu erwidern:
»So laßt mich doch ruhig älter werden, ich habe ja nach dieser Erhöhung nie gestrebt.« Die weitere Selbstprüfung aber habe ihm gezeigt, daß ihm unbewußt der Gedanke an seine
Ernennung und der Wunsch nach ihr doch nicht so ganz fern könne gelegen haben; er habe sich dies eingestanden, habe die Eitelkeit seines Gedankens erkannt und abgetan, und es sei in der Tat weder an jenem Tage noch jemals später von den Kollegen an sein Alter erinnert worden.
Desto eifriger allerdings wurde die Wahl des neuen Meisters unter denen besprochen und kritisiert, deren Mitstrebender Knecht bis dahin gewesen war. Er hatte keine ausgesprochenen Gegner, wohl aber Konkurrenten und unter ihnen einige, die ihm an Alter voraus waren, und in diesem Kreise war man durchaus nicht gesonnen, die Wahl anders zu billigen als nach einem Kampf und einer Bewährung, zumindest aber nach einer höchst genauen und kritischen Betrachtung. Beinahe in jedem Falle ist der Amtsantritt und die erste Amtszeit eines neuen Magisters ein Gang durchs Fegefeuer.
Die Investitur eines Meisters ist keine öffentliche Feier, außer der obersten Erziehungsbehörde und der Ordensleitung nimmt an ihr nur der ältere Teil der Schülerschaft, die Kandidaten und die Beamtenschaft jener Disziplin teil, welche einen neuen Magister bekommt. Bei der Feier im Festsaal hatte der Glasperlenspielmeister den Amtseid abzulegen, hatte ferner von der Behörde die Insignien seines Amtes, bestehend in einigen Schlüsseln und Siegeln, entgegenzunehmen und sich vom Sprecher der Ordensleitung mit dem Ornat bekleiden zu lassen, dem festlichen Überkleide, das der Magister bei den höchsten Feierlichkeiten, vor allem beim Zelebrieren des Jahresspiels, zu
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tragen hat. Einem solchen Akte fehlt zwar der Schwall und leichte Rausch öffentlicher Feste, er ist seiner Natur nach zeremoniell und eher nüchtern, dafür verleiht ihm schon allein die vollzählige Anwesenheit der beiden höchsten Behörden eine ungemeine Würde. Die kleine Republik der Glasperlenspieler erhält einen neuen Herrn, der ihr vorzustehen und sie in der Gesamtbehörde zu vertreten hat, das ist ein bedeutendes und seltenes Ereignis; mögen die Schüler und jüngeren Studenten seine Wichtigkeit noch nicht voll erfassen und in der Feier nur eine Zeremonie und Augenlust erleben, alle anderen Teilnehmer sind sich dieser Wichtigkeit bewußt und sind genügend mit ihrer Gemeinschaft verwachsen und ihr wesensähnlich, um den Vorgang wie einen Vorgang im eigenen Leibe und Leben zu empfinden. Dieses Mal war die Festfreude nicht nur vom Tode des vorigen Meisters und der Trauer um ihn beschattet, sondern auch von der bangen Stimmung dieses Jahresspiels und der Tragödie des Stellvertreters Bertram.
Die Einkleidung wurde vom Sprecher der Ordensleitung und dem obersten Spielarchivar
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