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Das Glasperlenspiel

Das Glasperlenspiel

Titel: Das Glasperlenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Gesprächigkeit und wirklicher Weisheit, von Philistrosität und echtem Dichtergeist.
    Es fehlte diesem sonderbaren und rührenden Buch, so wollte es ihm scheinen, keineswegs an Esoterik, aber sie stak in derben
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    hausbackenen Schalen, und nicht jene Gedichte darin waren die hübschesten, in welchen wirklich eine Lehre und Weisheit nach Gestalt strebte, sondern jene, in welchen des Dichters Gemüt, sein Liebesvermögen, seine Redlichkeit und Menschenliebe, sein bürgerlich gediegener Charakter Ausdruck fand. Indem er mit einer eigenen Mischung von Respekt und Belustigung in das Buch einzudringen versuchte, fiel ein Vers ihm in die Augen, den er mit Befriedigung und Zustimmung in sich einließ und dem er lächelnd zunickte, als sei er ihm eigens für diesen Tag entgegengeschickt. Er hieß:
    Die Tage sehen wir, die teuren, gerne schwinden, Um etwas Teureres herangereift zu finden:
    Ein seltenes Gewächs, das wir im Garten treiben, Ein Kind, das wir erziehn, ein Büchlein, das wir schreiben.
    Er zog die Schublade des Schreibtisches, suchte und fand ein Blättchen Papier und schrieb sich die Verse darauf ab.
    Später zeigte er sie Plinio und sagte dazu: »Die Verse haben mir gefallen, sie haben etwas Besonderes: so trocken und zugleich so innig! Und sie passen so gut auf mich und meine augenblickliche Lage und Stimmung. Wenn ich auch kein Gärtner bin und meine Tage nicht der Pflege einer seltenen Pflanze widmen will, so bin ich doch ein Lehrer und Erzieher, und bin auf dem Wege zu meiner Aufgabe, zu dem Kind, das ich erziehen will. Wie sehr freue ich mich darauf! Was nun den Verfasser dieser Verse betrifft, den Dichter Rücken, so hat er vermutlich diese drei edlen Passionen alle gehabt, die des Gärtners, die des Erziehers und die des Autors, und grade diese wird wohl bei ihm den ersten Platz eingenommen haben, er nennt sie an letzter und bedeutsamster Stelle, und er ist in den Gegenstand seiner Passion so sehr verliebt, daß er zärtlich wird und ihn nicht Buch, sondern›Büchlein‹nennt. Wie rührend ist das.«
    Plinio lachte. »Wer weiß«, meinte er, »ob das hübsche
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    Diminutiv nicht bloß ein Kniff des Reimschmiedes ist, der an dieser Stelle ein zweisilbiges Wort statt des einsilbigen brauchte.«
    »Wir wollen ihn doch nicht unterschätzen«, verteidigte sich Knecht. »Ein Mann, der Zehntausende von Verszeilen in seinem Leben geschrieben hat, läßt sich nicht von einer schäbigen metrischen Notdurft in die Enge treiben. Nein, höre doch nur hin, wie zärtlich und auch ein wenig verschämt das klingt: ein Büchlein, das wir schreiben! Vielleicht ist es auch nicht bloß Verliebtheit, was aus dem›Buch‹ein›Büchlein‹gemacht hat.
    Vielleicht ist es auch beschönigend und versöhnend gemeint.
    Vielleicht, ja wahrscheinlich war dieser Dichter ein so an sein Tun hingegebener Autor, daß er selber je und je seinen Hang zum Büchermachen als eine Art Leidenschaft und Laster empfand. Dann hätte das Wort›Büchlein‹nicht nur den
    verliebten Sinn und Klang, sondern auch den beschönigenden, ableitenden, entschuldigenden, den der Spieler meint, wenn er nicht zu einem Spiel, sondern zu einem›Spielchen‹einlädt, und der Trinker, wenn er noch
    ein›Gläschen‹oder›Schöppchen‹verlangt. Nun, das sind Vermutungen. Auf jeden Fäll hat der Sänger zu dem Kind, das er erziehen, und dem Büchlein, das er schreiben will, meine volle Zustimmung und mein Mitgefühl. Denn nicht bloß die Leidenschaft des Erziehenwollens ist mir bekannt, nein, auch das Büchleinschreiben ist eine Passion, die mir nicht gar zu ferne liegt. Und jetzt, da ich mich vom Amt befreit habe, hat der Gedanke wieder etwas köstlich Lockendes für mich: einmal in Muße und bei guter Laune ein Buch zu schreiben, nein: ein Büchlein, eine kleine Schrift für Freunde und
    Gesinnungskameraden.«
    »Und worüber?« fragte Designori neugierig.
    »Ach, einerlei, es käme auf den Gegenstand nicht an.
    Er würde mir nur ein Anlaß sein, mich einzuspinnen und das Glück zu genießen, viel freie Zeit zu haben. Worauf es mir dabei
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    ankäme, das wäre der Ton, eine schickliche Mitte zwischen Ehrfurcht und Vertraulichkeit, zwischen Ernst und Spielerei, ein Ton nicht der Belehrung, sondern der freundschaftlichen Mitteilung und Aussprache über dies und jenes, was ich erfahren und gelernt zu haben glaube. Die Art, wie dieser Friedrich Rückert das Belehren und das Denken, das Mitteilen und Plaudern in seinen Versen mischt, wäre wohl nicht

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