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Das Glasperlenspiel

Das Glasperlenspiel

Titel: Das Glasperlenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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den Jungen allmählich zum Bewußtsein seiner Gaben und Kräfte zu bringen und zugleich jene edle Neugierde, jenes adlige Ungenügen in ihm zu nähren, das der Liebe zu den Wissenschaften, zum Geist und zum Schö nen die Kraft gibt. Die Aufgabe war schön, und sein Schüler war ja nicht nur ein beliebiges junges Talent, das man wecken und in Form bringen mußte; er war als einziger Sohn eines einflußreichen und begüterten Patriziers auch ein künftiger Herr, einer der gellschaftlichen und politischen Mitgestalter von Land und Volk, zu Beispiel und Führung bestimmt. Kastalien war dieser alten Familie Designori etwas schuldig geblieben; es hatte den ihm einst anvertrauten Vater dieses Tito nicht
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    gründlich genug erzogen.es hatte ihn für seine schwierige Stellung zwischen Welt und Geist nicht stark genug gemacht, und dadurch war nicht nur der begabte und liebenswerte junge Plinio ein unglücklicher Mensch mit einem unausgeglichenen und schlecht bewältigten Leben, es war auch sein einziger Sohn noch gefährdet und in die väterliche Problematik mit hineingezogen worden. Da war etwas zu heilen und
    wiedergutzumachen, etwas wie eine Schuld war abzutragen, und ihm machte es Freude und schien es sinnvoll, daß diese Aufgabe gerade ihm zufiel, dem Ungehorsamen und scheinbar
    Abtrünnigen.
    Am Morgen, als er im Hause erwachendes Leben spürte, stand er auf, fand beim Bette einen Bademantel bereitgelegt, den er über seinem leichten Schlafkleide anzog, und trat, wie es ihm Tito am Vorabend geze igt hatte, durch eine hintere Haustür in den halboffenen Gang, der das Haus mit der Badehütte und dem See verband.
    Vor ihm lag der kleine See graugrün und unbewegt, jenseits ein steiler hoher Felsabhang, mit scharfem, schartigem Grat in den dünnen, grünlichen, kühlen Morgenhimmel schneidend, schroff und kalt im Schatten. Doch war hinter diesem Grat spürbar schon die Sonne aufgestiegen, ihr Licht blinkte da und dort in winzigen Split- tern an einer scharfen Steinkante, es konnte nur noch Minuten dauern, so würde über den Zacken des Berges die Sonne erscheinen und See und Hochtal mit Licht überfluten.
    Aufmerksam und ernst gestimmt betrachtete Knecht das Bild, dessen Stille, Ernst und Schönheit er als unvertraut und dennoch ihn angehend und mahnend empfand.
    Stärker noch als bei der gestrigen Fahrt spürte er die Wucht, die Kühle und würdevolle Fremdheit der Hochgebirgswelt, die dem Menschen nicht entgegenkommt, ihn nicht einlädt, ihn kaum duldet. Und es schien ihm sonderbar und bedeutungsvoll, daß sein erster Schritt in die neue Freiheit des Weltlebens ihn
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    gerade hierher, in diese stille und kalte Größe geführt hatte.
    Tito erschien, in der Badehose, er gab dem Magister die-Hand und sagte, auf die Felsen gegenüber deutend: »Sie kommen im rechten Augenblick, gleich wird die Sonne
    aufgehen. Ach, es ist herrlich hier oben.« Freundlich nickte Knecht ihm zu. Er wußte längst, daß Tito ein Frühaufsteher, Läufer, Ringer und Wanderer sei, schon aus Protest gegen die läßliche, unsoldatisch bequeme Haltung und Lebensführung seines Vaters, wie er auch aus eben diesem Grunde den Wein verschmähte. Diese Gewohnheiten und Neigungen führten zwar gelegentlich zur Pose des Naturburschentums und der
    Geistverachtung - der Hang zum Übertreiben schien allen Designori angeboren -, Knecht aber hieß sie willkommen und war entschlossen, auch die Sportkameradschaft als eines der Mittel zur Gewinnung und Zähmung des feurigen Jünglings zu benützen. Es war ein Mittel unter mehreren, und keines der wichtigsten, die Musik zum Beispiel würde viel weiter führen.
    Auch dachte er natürlich nicht daran, dem jungen Manne sich in körperlichen Übungen gleichstellen, ihn gar übertreffen zu wollen. Ein harmloses Mittun würde genügen, um dem Jüngling zu zeigen, sein Erzieher sei weder ein Feigling noch ein Stubenhocker.
    Tito blickte gespannt nach dem finsteren Felsgrat hinüber, hinter dem der Himmel im Morgenlicht wogte.
    Jetzt blitzte ein Stückchen des Steinrückens heftig auf wie glühendes und eben im Schmelzen begriffenes Metall, der Grat wurde unscharf und schien plötzlich niedriger geworden, schien schmelzend hinabzusinken, und aus der glühenden Lücke trat blendend das Gestirn des Tages.
    Zugleich wurden Erdboden, Haus, Badehütte und diesseitiges Seeufer beschienen, und die beiden Gestalten, in der starken Strahlung stehend, empfanden alsbald die wohlige Wärme dieses Lichtes. Der Knabe, erfüllt von

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