Das Glasperlenspiel
Sternen dorfeinwärts, befriedigt und wohlig erregt. Von den Genüssen, Schönheiten und Verfeinerungen, welche uns Heutigen selbstverständ lich und unentbehrlich sind und noch dem Ärmsten gehören, wußte die Siedlung nichts, sie kannte weder Bildung noch Künste, sie kannte weder andre Häuser als schiefe Lehmhütten, noch wußte sie von eisernen und stählernen Werkzeugen, auch Dinge wie Weizen oder Wein waren unbekannt, Erfindungen wie Kerze oder Lampe wären den Menschen strahlende Wunder gewesen.
Das Leben Knechts und seine Vorstellungswelt war darum nicht weniger reich, als unendliches Geheimnis und Bilderbuch umgab ihn die Welt, deren er sich mit jedem neuen Tag ein neues kleines Stück eroberte, vom Tierleben und Pflanzenwuchs bis zum Sternenhimmel, und zwischen der stummen,
geheimnisvollen Natur und seiner vereinzelten, in banger Knabenbrust atmenden Seele war alle Verwandtschaft und war auch alle Spannung, Angst, Neugierde und Aneignungslust vorhanden, deren die Menschenseele fähig ist. Gab es in seiner Welt kein geschriebenes Wissen, keine Geschichte, kein Buch, kein Alphabet, war ihm alles, was mehr als drei, vier Stunden über sein Dorf hinaus lag, vollkommen unbekannt und
unerreichbar, so lebte er dafür in dem seinen, in seinem Dorf, ganz und vollkommen mit. Das Dorf, die Heimat, die
Gemeinschaft des Stammes unter der Führung der Mütter gab ihm alles, was Volk und Staat dem Menschen geben können: einen Boden voll tausend Wurzeln, in deren Geflecht er selbst eine Faser war und an allem teilhatte.
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Zufrieden schlenderte er dahin, in den Bäumen flüsterte der Nachtwind und knackte leise, es roch nach feuchter Erde, nach Schilf und Schlamm, nach Rauch von halbgrünem Holz, ein fettiger und etwas süßer Geruch, der mehr als jeder andre Heimat bedeutete, und zuletzt, als er sich der Knabenhütte näherte, roch es nach ihr, roch nach Knaben, nach jungen Menschenleibern. Lautlos kroch er unter der Schilfmatte hindurch in die warme, atmende Finsternis, legte sich auf die Streu und dachte an die Hexengeschichte, an den Eberzahn, an Ada, an den Wettermacher und seine Töpfchen am Feuer, bis er einschlief.
Turu kam dem Knaben nur mit sparsamen Schritten entgegen, er machte es ihm nicht leicht. Der junge Mensch aber war immer auf seiner Spur, es zog ihn dem Alten nach, er wußte selbst oft nicht wie. Manchmal, wenn der Alte irgendwo an verborgenster Stelle in Wald, Sumpf oder Heide eine Falle stellte, eine Tierspur beroch, eine Wurzel grub oder Samen sammelte, konnte er plötzlich den Blick des Knaben fühlen, der ihm lautlos und unsichtbar seit Stunden folgte und ihn belauerte.
Dann tat er manchmal, als habe er nichts gemerkt, manchmal knurrte er und wies den Verfolger ungnädig weg, manchmal auch winkte er ihn zu sich und behielt ihn für den Tag bei sich, ließ sich Dienste von ihm leisten, zeigte ihm dies und jenes, ließ ihn raten, stellte ihn auf Proben, nannte ihm Namen von Kräutern, hieß ihn Wasser schöpfen oder Feue r zünden, und bei jeder Verrichtung wußte er Handgriffe, Vorteile, Geheimnisse, Formeln, deren Geheimhaltung dem Jungen eingeschärft wurde.
Und schließlich, als Knecht etwas größer war, behielt er ihn ganz bei sich, er erkannte ihn als seinen Lehrling an und holte ihn aus dem Knabenschlafhaus in seine eigene Hütte. Damit war Knecht vor allem Volk gekennzeichnet: er war kein Knabe mehr, er war Lehrling beim Wettermacher, und das bedeutete: wenn er durchhielt und etwas taugte, würde er dessen Nachfolger sein.
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Von dieser Stunde an, in der Knecht vom Alten in seine Hütte aufgenommen wurde, war die Schranke zwischen ihnen
gefallen, nicht die Schranke der Ehrfurcht und des Gehorsams, aber die des Mißtrauens und der Zurückhaltung.
Turu hatte sich ergeben und von Knechts zäher Werbung erobern lassen; nun wollte er nichts andres mehr als einen guten Wettermacher und Nachfolger aus ihm machen. Es gab für diese Unterweisung keine Begriffe, keine Lehre, keine Methode, keine Schrift, keine Zahlen und nur sehr wenig Worte, und es waren Knechts Sinne viel mehr als sein Verstand, welche von seinem Meister erzogen wurden. Es galt, ein großes Gut an Überlieferung und Erfahrung, das gesamte Wissen des
damaligen Menschen um die Natur, nicht bloß zu verwalten und auszuüben, sondern weiterzugeben. Ein großes und dichtes System von Erfahrungen, Beobachtungen, Instinkten und Forschergewohnheiten tat sich langsam und dämmernd vor dem Jüngling auf, beinahe nichts
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