Das Glasperlenspiel
daß diese fa llenden oder geworfenen, neuen, so schnell erscheinenden und so schnell schwindenden Lichter in einem etwas anders gefärbten Feuer glühten als die alten, die richtigen Sterne. Dies war ihm tröstlich und half ihm sich wiederfinden, aber mochten das nun auch neue, vergängliche, andre Sterne sein, deren Gestöber die Luft erfüllte: grausig und böse, Unheil und Unordnung war es doch, tiefe Seufzer aus Knechts vertrockneter Kehle. Er blickte erdwärts, er horchte umher, um zu erfahren, ob ihm allein dies geisterha fte Schauspiel erscheine oder ob auch andre es sähen. Bald hörte er von anderen Hütten her Stöhnen, Kreischen und Ausrufe des Schreckens; auch andre hatten es gesehen, hatten es weitergeschrien, hatten die Ahnungslosen und die Schläfer alarmiert, im Nu würde Angst und Panik das ganze Dorf ergriffen haben. Tief aufseufzend nahm es Knecht auf sich. Ihn vor allen andern traf es, dies Unglück, ihn, den Regenmacher; ihn, der gewissermaßen verantwortlich war für die Ordnung am Himmel und in den Lüften. Noch immer hatte er große Katastrophen voraus erkannt oder gespürt: Überschwemmung, Hagel, große Stürme, hatte jedesmal die Mütter und Ältesten vorbereitet und gewarnt, hatte das Ärgste verhütet, hatte sich, sein Wissen und seinen Mut und sein Vertrauen zu den oberen Mächten zwischen das Dorf und die Verzweiflung gestellt.
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Warum hatte er diesmal nichts vorausgewußt und angeordnet?
Warum hatte er von dem dunkeln, warnenden Vorgefühl, das er allerdings gehabt, keinem Menschen ein Wort gesagt?
Er lüpfte die Matte des Hütteneingangs und rief leise den Namen seiner Frau. Sie kam, ihr Jüngstes an der Brust, er nahm ihr das Kleine ab und legte es auf die Streu, er nahm Adas Hand, legte einen Finger auf die Lippen, Schweigen fordernd, führte sie aus der Hütte und sah, wie alsbald ihr geduldig stilles Gesicht von Angst und Schrecken entstellt wurde.
»Die Kinder sollen schlafen, sie sollen das nicht sehen, hörst du?« flüsterte er heftig. »Du darfst keines herauslassen, auch Turu nicht. Und auch du selber bleibst drinnen.«
Er zögerte, ungewiß, wieviel er sagen, wieviel von seinen Gedanken er verraten solle, und fügte dann mit Festigkeit hinzu:
»Es wird dir und den Kindern nichts geschehen.«
Sie glaubte es ihm alsbald, obwohl damit ihr Gesicht und Gemüt noch nicht wieder vom erlittenen Schrecken genesen war.
»Was ist es denn?« fragte sie, wieder an ihm vorbei in den Himmel starrend. »Ist es sehr schlimm?«
»Es ist schlimm«, sagte er sanft, »ich glaube wohl, daß es sehr schlimm ist. Aber es gilt nicht dir und den Kleinen.
Bleibet in der Hütte, halte die Matte gut geschlossen.
Ich muß zu den Leuten, mit ihnen reden. Geh hinein, Ada.«
Er drängte sie durch das Hüttenloch, zog die Matte sorgfältig zu, stand noch einige Atemzüge lang, das Gesicht dem fortdauernden Sternregen zugewandt, dann senkte er den Kopf, seufzte nochmals aus schwerem Herzen und ging nun schnell dorfeinwärts durch die Nacht, zur Hütte der Ahnmutter.
Hier war das halbe Dorf schon versammelt, in einem
gedämpften Getöse, einem durch die Angst gelähmten und halb unterdrückten Taumel von Schrecken und Verzweiflung.
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Es gab Weiber und Männer, welche sich dem Gefühl von Entsetzen und Untergangsnähe mit einer Art von Wut und Wollust hingaben, die wie Verzückte steif standen oder mit unbeherrschten Gliedern um sich fuchtelten, eine hatte Schaum vor dem Munde, tanzte für sich allein einen verzweifelten und zugleich obszönen Tanz und riß sich dabei die langen Haare in ganzen Büscheln aus. Knecht sah: es war alles schon im Gange, sie waren schon beinahe alle an den Rausch verloren, vo n den fallenden Sternen behext und verrückt gemacht, es würde vielleicht eine Orgie von Irrsinn, Wut und
Selbstvernichtungslust geben, es war höchste Zeit, die paar Mutigen und Besonnenen zu sammeln und zu stärken. Die uralte Ahnmutter war ruhig; sie glaubte das Ende aller Dinge gekommen, wehrte sich aber nicht dagegen und zeigte dem Schicksal ein festes, hartes, in seiner herben Gekniffenheit beinah spöttisch aussehendes Gesicht. Er brachte sie dazu, ihn anzuhören. Er versuchte ihr zu demonstrieren, daß die alten, die immer dagewesenen Sterne noch vorhanden seien, doch
vermochte sie das nicht aufzunehmen, sei es, daß ihre Augen die Kraft nicht mehr hatten, es zu erkennen, sei es, daß ihre Vorstellung von den Sternen und ihr Verhältnis zu ihnen von denen des Regenmachers
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