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Das Glasperlenspiel

Das Glasperlenspiel

Titel: Das Glasperlenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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allzu verschieden waren, als daß man einander hätte verstehen können. Sie schüttelte den Kopf und behielt ihr tapferes Grinsen bei, und als Knecht sie nun beschwor, die Leute in ihrem Angstrausch nicht sich selber und den Dämonen zu überlassen, war sie sogleich einverstanden. Es bildete sich um sie und den Wettermacher eine kleine Gruppe von geängstigten, aber nicht verrückt gewordenen Menschen, die bereit waren, sich führen zu lassen.
    Noch im Augenblick vor seinem Eintreffen hatte Knecht geho fft, der Panik durch Vorbild, Vernunft, Rede, Erklärung und Zuspruch steuern zu können. Schon das kurze Gespräch mit der Ahnfrau belehrte ihn, daß es dafür zu spät sei. Er hatte gehofft, die andern an seinem eignen Erlebnis teilhaben lassen,
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    es ihnen zum Geschenk machen und auf sie übertragen zu können, er hatte gehofft, unter seinem Zuspruch würden sie vor allem einsehen, daß nicht die Sterne selber, oder doch nicht alle, herunterfielen und vom Weltsturm davongetragen würden, und damit, daß sie vom hilflosen Schrecken und Staunen zum tätigen Beobachten fortschritten, würden sie der Erschütterung standhalten können. Aber es wären, das sah er schnell, im ganzen Dorf nur sehr wenige dieser Beeinflussung zugänglich gewesen, und bis man auch nur sie gewonnen hätte, wären die andern vollends ganz dem Irrsinn verfallen. Nein, es war hier, wie so oft, mit der Vernunft und den klugen Worten gar nichts zu erreichen.
    Zum Glück gab es andre Mittel. Wenn es unmöglich war, die Todesangst aufzulösen, indem man sie mit Vernunft durchsetzte, so war es doch möglich, die Todesangst zu leiten, zu organisieren, ihr Form und Gesicht zu geben und aus dem hoffnungslosen Durcheinander von Tollgewordenen eine feste Einheit, aus den unbeherrschten wilden Einzelstimmen einen Chor zu machen. Alsbald setzte es Knecht ins Werk, alsbald schlug das Mittel an.
    Er trat vor die Leute, schrie die wohlbekannten Gebetsworte, mit welchen sonst die öffentlichen Trauer- und Bußübungen eröffnet wurden, die Totenklage um eine Ahnfrau oder das Opfer- und Bußfest bei öffentlichen Gefahren wie Seuchen und Überschwemmung. Er schrie die Worte im Takt und unterstützte den Takt durch Händeklatschen, und im selben Takt, schreiend und händeklatschend, bückte er sich bis fast zum Erdboden, erhob sich wieder, bückte sich wieder, erhob sich, und schon machten zehn und zwanzig andere die Bewegungen mit, die greise Dorfmutter stand, murmelte rhythmisch und deutete mit kleinen Verneigungen die rituellen Bewegun- gen an. Wer noch von den anderen Hütten her sich einfand, ordnete sich ohne weiteres in den Takt und Geist der Zeremonie ein, die paar ganz Besessenen brachen entweder bald mit erschöpften Kräften
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    zusammen und lagen regungslos, oder sie wurden vom
    Chorgemurmel und Verneigungsrhythmus der gottesdienstlichen Handlung bezwungen und mitgerissen. Es war gelungen. Statt einer verzweifelten Horde von Verrückten stand da ein Volk von opfer- und bußgewillten Andächtigen, deren jedem es wohltat und das Herz stärkte, seine Todesfurcht und sein Entsetzen nicht in sich zu verschließen oder für sich allein hinauszubrüllen, sondern im geordneten Chor der vielen, taktmäßig, sich einer beschwörenden Zeremonie einzuordnen. Viele geheime Mächte sind in einer solchen Übung wirksam, ihr stärkster Trost ist die Gleichförmigkeit, das Gemeinschaftsgefühl verdoppelnd, und ihre unfehlbarste Arznei ist Maß und Ordnung, ist Rhythmus und Musik.
    Während noch immer der ganze Nachthimmel vom Heer der fallenden Sternschnuppen wie von einer lautlos stürzenden Kaskade aus Lichttropfen bedeckt war, welche wohl zwei Stunden lang weiter ihre großen rötlichen Feuertropfen verschwendete, verwandelte das Grauen des Dorfes sich in Ergebung und Devotion, in Anrufung und Bußgefühl, und den aus ihrer Ordnung geratenen Himmeln trat die Angst und Schwäche der Menschen als Ordnung und kultische Harmonie entgegen. Noch ehe der Sternenregen anfing zu ermüden und dünner zu strömen, war das Wunder vollzogen und strahlte Heilkraft aus, und als der Himmel langsam sich zu beruhigen und zu genesen schien, hatten die todmüden Büßer alle das erlösende Gefühl, mit ihrer Übung die Mächte besänftigt und den Himmel wieder in Ordnung gebracht zu haben.
    Die Schreckensnacht wurde nicht vergessen, man sprach noch den ganzen Herbst und Winter hindurch von ihr, aber bald tat man es schon nicht mehr flüsternd und beschwörend, sondern im

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