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Das Glasperlenspiel

Das Glasperlenspiel

Titel: Das Glasperlenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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streng symmetrischer, nur mäßig
    ornamentierender, altmeisterlich anmutiger Durchführung auf.
    Vielleicht war es die Entfernung von Waldzell und dem Spielarchiv, die ihn dazu zwang, vielleicht war es die starke Inanspruchnahme seiner Kraft und seiner Zeit durch die historischen Studien, vielleicht auch leitete ihn mehr oder weniger bewußt der Wunsch, sein Spiel so zu stilisieren, wie es dem Geschmack seines Lehrers und Freundes, des Paters
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    Jakobus, am meisten entsprechen mochte; wir wissen es nicht.
    Wir haben den Ausdruck »psychologische Spielmethode«
    gebraucht, der vielleicht nicht jedem unserer Leser ohne weiteres verständlich ist; zu Knechts Zeiten war er ein oft gehörtes Schlagwort. Es gab wohl zu jeder Zeit Strömungen, Moden, Kämpfe und wechselnde Anschauungen und
    Sinngebungen unter den Eingeweihten des Glasperlenspiels, und zu jener Zeit waren es vor allem zwei Auffassungen des Spiels, um die der Streit und die Diskussion ging. Man unterschied zwei Spieltypen, den formalen und den psychologischen, und wir wissen, daß Knecht, ebenso wie Tegularius, obwohl er sich dem Wortstreit ferne hielt, zu den Anhängern und Förderern des letzteren gehörte, nur hat Knecht,
    statt von der
    »psychologischen Spielweise«, meist lieber von der
    »pädagogischen « gesprochen. Das formale Spiel strebte danach, aus den sachlichen Inhalten jedes Spieles, den mathematischen, sprachlichen, musikalischen und so weiter, eine möglichst dichte, lückenlose, formal vollkommene Einheit und Harmonie zu bilden. Das psychologische Spiel dagegen suchte die Einheit und Harmonie, die kosmoshafte Rundheit und Vollkommenheit nicht so sehr in der Wahl, Anordnung, Verschränkung, Verknüpfung und Gegenüberstellung der Inhalte als in der jeder Etappe des Spieles folgenden Meditation, auf die es allen Nachdruck legte.
    Ein solches psychologisches oder, wie Knecht lieber sagte, pädagogisches Spiel bot nicht von außen her den Anblick des Vollkommenen, sondern leitete den Spieler durch die Folge seiner genau vorgeschriebenen Meditationen zum Erlebnis des Vollkommenen und Göttlichen. »Das Spiel, wie ich es meine«, schrieb Knecht einmal an den Alt- Musikmeister, »umschließt nach absolvierter Meditation den Spieler so, wie die Oberfläche einer Kugel ihren Mittelpunkt umschließt, und entläßt ihn mit dem Gefühl, eine restlos symmetrische und harmonische Welt aus der zufälligen und wirren gelöst und in sich aufgenommen
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    zu haben.«
    Jenes Spiel nun, mit dem sich Knecht am großen Wettbewerb beteiligte, war also ein formal, nicht ein psychologisch aufgebautes. Möglich, daß er damit den Oberen und auch sich selbst zu beweisen wünschte, er habe über dem Gastspiel in Mariafels und seiner diplomatischen Mission als
    Glasperlenspieler nichts an Übung, Elastizität, Eleganz und Virtuosität eingebüßt, und dieser Beweis ist ihm gelungen. Die letzte Ausführung und Reinschrift seines Spielentwurfes hat er, da sie nur im Waldzeller Spielarchiv besorgt werden konnte, seinem Freunde Tegularius anvertraut, welcher übrigens selbst zu den Teilnehmern am Wettbewerb gehörte. Auch konnte er seine Papiere dem Freunde selbst übergeben und sie mit ihm durchsprechen, wie er auch dessen Entwurf mit ihm durchsah, denn es war ihm gelungen, Fritz für drei Tage zu sich ins Kloster zu bekommen; zum erstenmal hatte Magister Thomas diese schon zweimal an ihn gerichtete Bitte erfüllt. So sehr sich Tegularius des Besuches freute, und so viel Neugierde er als kastalischer Insulaner mitbrachte, so fühlte er sich doch im Kloster äußerst unbehaglich, ja der sensible Mensch erkrankte beinahe unter all den fremdartigen Eindrücken und zwischen diesen freundlichen, aber einfachen, gesunden, auch etwas derben Menschen, deren keinem seine Gedanken, Sorgen und Probleme das geringste bedeutet hätten. »Du lebst hier auf einem fremden Gestirn«, sagte er zu seinem Freunde, »und ich begreife nicht und bewundere dich dafür, daß du es hier schon drei Jahre ausgehalten hast. Deine Patres sind ja sehr artig gegen mich, aber ich fühle mich hier von allem abgelehnt und zurückgestoßen, nichts kommt mir entgegen, nichts versteht sich von selber, nichts läßt sich ohne Widerstände und Schmerzen assimilieren; zwei Wochen hier leben zu müssen, wäre mir die Hölle.«
    Knecht hatte Mühe mit ihm, sah auc h mit Unbehagen zum erstenmal diese Fremdheit zwischen den beiden Orden und
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    Welten als Zuschauer mit an und fühlte, daß

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