Das Glasperlenspiel
empfand, bin ich freilich jetzt beruhigter: neulich war Tegularius hier, nur drei Tage, aber so sehr er sich auf mich gefreut hatte und auf Mariafels neugierig gewesen war, er hielt es schon am zweiten Tage beinahe nicht mehr aus vor Bedrücktheit und Sichfremdfühlen.
Da ja schließlich auch ein Kloster eher eine behütete, friedliche und geistfreundliche Welt ist und noch lange kein Zuchthaus, keine Kaserne oder Fabrik, ziehe ich aus meiner Erfahrung den Schluß, daß wir Leute aus unsrer lieben Provinz weit verwöhnter und empfindsamer sind, als wir selber wissen.«
Eben in jener Zeit, aus welcher der Brief an Carlo datiert ist, brachte Knecht den Pater Jakobus dazu, daß er in einem kurzen Schreiben an die kastalische Ordensleitung sein Jawort in der bewußten diplomatischen Frage gab, jedoch die Bitte
hinzufügte, man möge den »hierorts allgemein beliebten Glasperlenspieler Josef Knecht«, der ihn eines Privatissimum de rebus castaliensibus würdige, noch eine Weile hier belassen.
Selbstverständlich machte man sich drüben eine Ehre daraus, seinen Wunsch zu erfüllen.
Knecht aber, der eben noch so weit von seiner »Ernte«
entfernt zu sein geglaubt hatte, erhielt ein von der Ordensleitung und Herrn Dubois gezeichnetes Anerkennungsschreiben über die Durchführung seines Auftrags.
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Was ihm an diesem hochamtlichen Schreiben im Augenblick am wichtigsten schien und die meiste Freude machte (er meldete es beinahe triumphierend in einem Briefchen an Fritz), war ein kurzer Satz des Inhalts, der Orden sei durch den
Glasperlenspielmeister über seinen Wunsch, in den Vicus Lusorum zurückzukehren, unterrichtet und durchaus geneigt, diesem Wunsch nach Beendigung seines jetzigen Auftrags zu entsprechen. Er las diese Stelle auch dem Pater Jakobus vor und bekannte ihm, wie sehr er sich über sie freue, bekannte jetzt auch, wie sehr er gefürchtet habe, vielleicht dauernd von Kastalien verbannt zu bleiben und nach Rom geschickt zu werden.
Der Pater meinte lachend: »Ja, die Orden haben es in sich, Freund, man lebt lieber in ihrem Schoß als an der Peripherie oder gar im Exil. Sie mögen ruhig das bißchen Politik wieder vergessen, in dessen unlautere Nähe Sie hier geraten sind, denn ein Politiker sind Sie nicht. Aber der Geschichte sollten Sie nicht untreu werden, auch wenn sie vielleicht immer ein Neben-und Liebhaberfach für Sie bleibt. Denn zum Historiker hätten Sie das Zeug. Und jetzt wollen wir beide noch voneinander profitieren, solang ich Sie habe.«
Von der Erlaubnis zu häufigeren Besuchen in Waldzell scheint Josef Knecht wenig Gebrauch gemacht zu haben; doch hörte er am Apparat ein Übungsseminar und manche Vorträge und Spiele mit. Und so nahm er auch aus der Ferne, in seinem vornehmen Gastzimmer im Stift sitzend, an jener »Solennität«
teil, bei welcher im Festsaal des Vicus Lusorum die Ergebnisse des Preisausschreibens bekanntgegeben wurden. Er hatte eine nicht sehr persönliche und gar nicht revolutionäre, aber gediegene und höchst elegante Arbeit eingereicht, die er einzuschätzen wußte, und war auf eine lobende Erwähnung oder einen dritten oder zweiten Preis gefaßt. Zu seiner Überraschung hörte er nun, daß ihm der erste Preis zugesprochen sei, und noch ehe die Überraschung die Freude in ihm recht hatte aufkommen
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lassen, las schon der Sprecher des Spielmeisteramtes mit seiner schönen tiefen Stimme weiter und nannte als Träger des zweiten Preises Tegularius. Dies war nun allerdings ein bewegendes und entzückendes Erlebnis, daß sie beide, Hand in Hand, als gekrönte Sieger aus diesem Wettkampf hervorgingen! Er sprang auf, ohne weiter zuzuhören, und lief die Treppe hinab und durch die hallenden Dormente ins Freie. In einem Brief an den Alt-Musikmeister, der in jenen Tagen geschrieben ist, lesen wir:
»Ich bin sehr glücklich, Verehrter, wie Du Dir denken kannst.
Erst die Durchführung meiner Mission und deren ehrenvolle Anerkennung durch die Ordensleitung samt der mir so
wichtigen Aussicht auf baldige Rückkehr in die Heimat, zu den Freunden und zum Glasperlenspiel, statt weiter in
diplomatischen Diensten verwendet zu werden, und nun dieser erste Preis für ein Spiel, bei dem ich mir zwar mit dem Formalen Mühe gegeben habe, das aber aus guten Gründen nicht alles erschöpft, was ich zu geben hätte, und zu allem noch die Freude, diesen Erfolg mit meinem Freunde zu teilen - es war in der Tat viel auf einmal. Ich bin glücklich, ja, aber ich könnte nicht sagen,
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