Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Glasperlenspiel

Das Glasperlenspiel

Titel: Das Glasperlenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
Vom Netzwerk:
daß ich fröhlich sei. Auf eine karge Zeit hin, oder doch eine, die mir so erschien, kommen diese Erfüllungen für mein innerstes Gefühl etwas zu plötzlich und zu reichlich; meiner Dankbarkeit ist eine gewisse Bangigkeit beigemischt, so, als bedürfe es im randvoll gefüllten Gefäß nur noch eines hinzukommenden Tropfens, um alles wieder fragwürdig zu machen.
    Aber betrachte dies, bitte, als nicht gesagt, hier ist jedes Wort schon zuviel.«
    Wir werden sehen, daß das randvoll gefüllte Gefäß bald noch mehr als nur einen Tropfen aufzunehmen bestimmt war. In der kurzen Zeit bis dahin aber lebte Josef Knecht seinem Glück und der ihm beigemischten Bangigkeit mit einer Hingabe und Intensität, als hätte er die nahe bevorstehende große Änderung vorausgefühlt.
    -215-
    Audi für den Pater Jakobus waren diese paar Monate eine glückliche und beschwingte Zeit. Es tat ihm leid, diesen Schüler und Kollegen bald verlieren zu sollen, und er suchte ihm, in den Arbeitsstunden selbst und noch mehr in ihren freien
    Unterhaltungen, das äußerst Mögliche von dem mitzugeben und zu vererben, was er in seinem arbeits- und gedankenreichen Leben an Einsicht in die Höhen und Tiefen des Menschen- und Völkerlebens gewonnen hatte. Auch über den Sinn und die Folgen von Knechts Mission sprach er zuweilen mit ihm, über die Möglichkeit und den Wert einer Befreundung und
    politischen Einigkeit zwischen Rom und Kastalien, und empfahl ihm das Studium jener Epoche, zu deren Früchten die Gründung des kastalischen Ordens ebenso wie die allmähliche
    Wiedererhebung Roms aus einer demütigenden Prüfungszeit gehörten. Er empfahl ihm auch zwei Werke über die
    Reformation und Kirchenspaltung im sechzehnten Jahrhundert, legte ihm jedoch sehr ans Herz, grundsätzlich das unmittelbare Quellenstudium und die jeweilige Beschränkung auf
    übersehbare Teilgebiete stets dem Lesen weltgeschicht licher Wälzer vorzuziehen, und machte kein Hehl aus seinem tiefen Mißtrauen gegen alle Geschichtsphilosophien.
    -216-
    Magister Ludi
    Knecht hatte beschlossen, seine endgültige Rückkehr nach Waldzell auf das Frühjahr zu verlegen, auf die Zeit des großen öffentliche n Glasperlenspiels, des Ludus anniversarius oder sollemnis. War auch der Höhepunkt in der denkwürdigen Geschichte dieser Spiele, die Zeit der wochenlang dauernden, aus aller Welt von Würdenträgern und Repräsentanten
    besuchten Jahresspiele schon vorüber und gehörte für immer der Geschichte an, so waren doch immer noch diese
    Frühlingstagungen mit dem meist zehn bis vierzehn Tage dauernden solennen Spiel das große festliche Ereignis des Jahres für ganz Kastalien, ein Fest, dem auch eine hohe religiöse und moralische Bedeutung nicht fehlte, denn es vereinigte die Vertreter aller, nicht immer völlig gleichgerichteter Gesinnungen und Tendenzen der Provinz im Sinn eines
    Gleichnisses der Harmonie, es schloß Frieden zwischen den Egoismen der einzelnen Disziplinen und weckte die Erinnerung an die Einheit, welche über ihrer Vielfalt stand. Es besaß für die Gläubigen die sakramentale Kraft echter Weihe, war für die Glaubenslosen zumindest ein Religionsersatz und für beide ein Bad in den reinen Quellen des Schönen.
    In ähnlicher Weise waren einstmals die Passionen von Johann Sebastian Bach - nicht so sehr zur Zeit ihrer Entstehung als in dem auf ihre Wiederentdeckung folgenden Jahrhundert - für ihre Mitwirkenden und Hörer teils echte religiöse Handlung und Weihe, teils Andacht und Religionsersatz und für alle zugleich feierliche Manifestationen der Kunst und des Creator Spiritus gewesen.
    Es hatte Knecht wenig Mühe gekostet, für seinen Entschluß die Zustimmung sowohl der Klosterleute wie der heimatlichen Behörde zu erlangen. Er vermochte sich noch nicht recht vorzustellen, welcher Art seine Position nach der
    -217-
    Wiedereinreihung in die kleine Republik des Vicus Lusorum sein werde, vermutete aber, daß man ihn nicht lange in dieser Position belassen, sondern sehr bald mit irgendeinem Amte oder Auftrag beladen und ehren werde.
    Vorläufig freute er sich auf die Heimkehr, auf die Freunde, auf die bevorstehende Festzeit, genoß die letzten Tage des Zusammenseins mit Pater Jakobus und nahm es mit guter Haltung und Laune entgegen, daß Abt und Konvent ihn zum Abschiede noch durch manche Kundgebungen ihres
    Wohlwollens feierten. Dann reiste er, nicht ohne Wehmut des Abschieds von einem liebgewonnenen Ort und von einem hinter ihm zurückbleibenden Lebensabschnitt,

Weitere Kostenlose Bücher