Das Glueck Beginnt in Dir
nächsten Tag klar absagen.
Eine andere Strategie ist für mich, klare Tabuzeiten für mich zu reservieren. Früher habe ich auch am Sonntagnachmittag noch Gespräche angenommen. Es gab keinen Grund, nein zu sagen, wenn jemand ein Gespräch haben wollte. Jetzt habe ich mir den Sonntagnachmittag und einen Abend in der Woche reserviert. Das ist die Zeit des Rückzugs, in der ich nicht erreichbar bin. Jeder braucht in seinem Leben solche Tabuzonen, die ihm heilig sind. Das Heilige ist das, was der Welt entzogen ist. Rituale können helfen, solche Zonen zu schützen. Sie schaffen einen heiligen Raum, der von ständigen entfremdenden Anforderungen, die auf uns einstürmen, befreit ist. Die Zeit, die ich mir für mich reserviere, ist in diesem Sinn eine heilige Zeit, weil sie für mich einen Wert hat, den ich mir von keinen anderen Werten streitig machen lasse.
8. FEBRUAR :
Anstand – Innehalten
Anstand ist kein moderner Begriff. Er erinnert uns an das bürgerliche 19. Jahrhundert. Doch ein Zeitgenosse und Zeuge der jüngsten Geschichte, Wladyslaw Bartoszewski, der ehemalige polnische Außenminister, der als junger Mann das KZ Auschwitz überlebte und bald darauf in stalinistische Gefängnisse kam, hat im Rückblick auf ein keineswegs einfaches Leben ein Buch geschrieben mit dem Titel: «Es lohnt sich, anständig zu sein.» In seiner Bilanz wird deutlich: Anstand ist mehr als gutes Benehmen. Es ist eine Haltung, die alle Entscheidungen und Handlungen bestimmt. Anständig ist – dem Wortsinn nach – der, der stehen bleibt und wartet. So kann er den anderen wahrnehmen. Zum Anstand gehört das Innehatten. Nur so kann ich die Situation richtig einschätzen. Und ich werde erkennen, wie ich mich so verhalte, dass es der Situation entspricht.
9. FEBRUAR :
Im anderen ich selbst
Für Andreas Brenner und Jörg Zirfas gehört diese Haltung zum guten Miteinander: «Wer anständig bleibt, der erkennt im anderen den, der er selber ist: einen Menschen. Diesen mit Anstand zu beachten rührt also letztlich aus einer Selbstachtung!» Solcher Anstand ist immer angebracht.
10. FEBRUAR :
Die Kraft der Höflichkeit
Ein Spruch der Indianer lautet: «Du lächelst, ich lächle, so sind wir beide glücklich, aber tief drunten, im Innern ist Hass zwischen uns. Lass uns nicht zeigen, was wir innen fühlen füreinander. Lächeln wir weiter, bis wir unseren Hass hinweglächeln.» Das mag zunächst verwirren. Wir haben heute ein gutes Gespür für Stimmigkeit und Authentizität. Wir sollen uns nicht verstellen. Höflichkeit verstellt sich nicht. Sie weiß um die Verletzbarkeit des Menschen, und sie weiß auch um die Hassgefühle in uns. Um uns und den anderen vor solchen Gefühlen zu schützen, sind wir höflich. Doch wir hoffen, dass die Höflichkeit die Hassgefühle überwindet, dass sie nicht bloße Fassade bleibt, sondern all die Hindernisse eines menschlichen Miteinanders überwindet.
11. FEBRUAR :
Vergeben erlöst
Psychologen haben festgestellt, dass manche Menschen nicht gesund werden, weil sie nicht vergeben können. Sie sind immer noch an den gebunden, der sie gekränkt hat. Sie lassen von ihm ihre Stimmung bestimmen. Vergebung ist erst einmal etwas, das mir gut tut. Ich befreie mich vom Einflussbereich des anderen. Ich lasse die Verletzung bei ihm. Vergeben heißt: die Verletzung weggeben, sich nicht mehr darum kümmern.
12. FEBRUAR :
Leben mit meinen Schatten
Für Carl Gustav Jung bedeutet Reifung, den Weg der Individuation, der Selbstwerdung zu gehen. Dieser Weg sieht vor, dass ich vom Ich zum Selbst gelange, zu meinem innersten Personkern, der Bewusstes und Unbewusstes umschließt, Göttliches und Menschliches. Das Ego will sich in der Welt behaupten. Es gehört zur Reifung, ein starkes Ego zu entwickeln. Doch ich darf nicht beim Ego stehen bleiben. Sonst kreise ich nur um meine eigene Selbstbehauptung. Das Ego könnte man im Brustbereich ansiedeln. Wer vom Ego geprägt ist, der muss sich in die Brust werfen und sich nach außen besonders vorteilhaft präsentieren. Doch das ist eher ein Zeichen von Unreife.
Jeder Mensch ist für Jung polar strukturiert. Wir haben in uns Liebe und Aggression, Verstand und Gefühl, Disziplin und Disziplinlosigkeit, Kraft und Schwäche. In der ersten Lebenshälfte leben wir oft einen Pol einseitig. Dann gerät der andere Pol in den Schatten. Wenn wir beispielsweise einseitig den Verstand leben, gerät das Gefühl in den Schatten und wirkt sich dann als Sentimentalität in uns aus, die uns
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