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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Kiefer
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wieder an.«

    Schluchzend rief ich meine Eltern an. Ich musste mit irgendjemandem reden. »Vati«, weinte ich. »Ich sitze hier ganz allein. Es ist entsetzlich. Ich weiß nicht, was mit Karin ist. Ich glaube, etwas Schlimmes. Ich hab sie so gern, Vati!«
    Mein Vater schaltete auf Lautsprecher.
    »Jetzt mach dich mal nicht verrückt«, meldete sich meine Mutter. »Vielleicht ist sie von einer Biene gestochen worden. So etwas gibt es. Bei uns sind die zurzeit ganz wild. Vielleicht hat sie einen allergischen Schock erlitten. Die arme Karin!«
    »Mutti, ich glaube, es ist vielleicht viel schlimmer. Thomas klingt gar nicht gut.«
    »Mal den Teufel nicht an die Wand, Ines! Karin ist doch noch recht jung.«
    »Noch nicht mal fünfzig«, schluchzte ich.
    »Mit fünfzig stirbt man nicht so einfach. Du wirst sehen.«
    Auf einmal konnte ich nicht mehr zu weinen aufhören. Obwohl ich überhaupt nichts wusste. Doch wie sich Thomas’ Stimme angehört hatte, wusste ich. Andererseits klang das mit dem allergischen Schock plausibel. Zudem reagierte Thomas immer pessimistisch. Viele Dinge, die gar nicht so schlimm waren, kamen bei ihm rabenschwarz an, und noch rabenschwärzer gab er sie weiter. Er übertrieb gern ins Negative. Wenn er sein Portemonnaie nicht fand, war es geklaut. Wenn jemand an einer Erkältung litt, war es die Schweinegrippe. Ja, so musste es sein. Thomas machte sich wie immer viel zu viele Sorgen.
    Und wenn es ein Gehirnschlag ist? Nein, bestimmt nicht. Aber wenn doch? Dann bleibt schlimmstenfalls eine Behinderung zurück, aber das kriegen wir hin. Wir helfen alle zusammen. Wir schaffen das, bitte, Karin, du musst durchhalten! Ich wollte mir nicht mal vorstellen, wie mein Leben ohne Karin verliefe. Ich war so glücklich, diese wundervolle Frau in meiner Nähe zu wissen. Am Nachmittag noch hatte ich sie kurz besucht. Sie war auf dem Sprung zum Zahnarzt. Ich sah sie vor mir: Ohne sich umzudrehen, grüßte sie mich nach unserem Abschied mit Umarmung und Küsschen noch einmal mit einem Winken. »Ines und Tim, macht’s gut!« Tim winkte zurück. Ich vielleicht auch. Ich wusste es nicht mehr. Hatte ich oder nicht? Auf einmal kam es mir wahnsinnig wichtig, geradezu entscheidend vor, mich daran zu erinnern.
    Das Telefon. Endlich. Ich drückte den grünen Knopf.
    »Sie liegt im Koma«, teilte mir Thomas mit Grabesstimme mit.

    Wenn ich heute an Karins Tod zurückdenke, hat sich ein Nebel über die Zeit gebreitet. Sorge. Hoffnung. Verzweiflung. All die Fragen. Manchmal glaubte ich, wir könnten nicht noch einen Tag schaffen, doch wir schafften auch diesen Tag und einen nächsten, und nun haben wir schon so viele Tage ohne Karin geschafft. Es geht. Aber es tut noch immer weh. Und sie ist mit uns. Es macht mich froh, dass Karin ihren heiß geliebten Sohn so glücklich erleben durfte. Ich kann kaum ermessen, wie viele Sorgen sie sich um ihn als Kind gemacht hat, wie viele Tränen sie geweint haben mag und wie viele Nächte sie in Krankenhäusern an seinem Bett saß. Ich weiß sehr wohl, dass ihre Verbindung eine besondere Tiefe auszeichnet. Und deshalb macht es mich glücklich, dass ich Karin von meinem großen Wunsch erzählt hatte: ein Kind mit Thomas …

Nie mehr Schule!
    Eine schwere und traurige Zeit begann, obwohl der Sommer so schön war. Karin fehlte an allen Ecken und Enden. Wir verbrachten viel Zeit mit Thomas’ Vater Gerhard und seiner Familie. Zudem musste ich intensiv lernen, denn im Herbst standen die letzten Prüfungen an. Tim steckte Karins Tod gut weg. »So kleine Kinder verarbeiten das anders«, erklärte mir eine Kindergärtnerin. Das hatte ich selbst schon gemerkt, als ich Tim erzählte, dass Karin im Krankenhaus war: »Es kann auch passieren, Tim, dass Karin in den Himmel kommt.«
    »Nein! Ich will nicht, dass sie in den Himmel kommt. Ich muss Pipi.«
    Also gingen wir zur Toilette.

    Im Juni waren meine letzten selbständigen Schritte auf meinen eigenen Füßen zehn Jahre her. Was für eine lange Zeit. Wie viel in all den Jahren geschehen war. Ich lag im Bett und kuschelte mit Tim. Immer wieder kitzelte er meine Fußsohlen. »Bitte nicht, Tim. Du weißt doch, dass ich das nicht mag.«
    »Mir gefällt es.«
    »Dann kitzle ich deine Füße«, bot ich ihm an, und er kicherte, noch ehe ich damit begann.
    Früher einmal hatte ich Hornhaut an den Ballen und Fersen. Nun waren meine Füße zart und weich und viel zu empfindlich. Ich erinnere mich daran, wie ich es als Kind liebte, wenn meine Oma meine Füße

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