DAS GLÜCK IM AUGENWINKEL: Roman (German Edition)
bei dem du sicher warst, dass er es wirklich weiß?
Ich bitte dich: Gib uns die Chance, uns auch über diese Briefe hinaus eine Hilfe zu sein. Zum ersten Mal seit langem trage ich Hoffnung in mir. Wirkliche Hoffnung. Und das verdanke ich dir.
Simon
*
Lieber Simon,
ich weiß nicht, warum es dir so schrecklich wichtig ist, mich zu treffen. Dass ich mich so sehr dagegen sträube, mag daran liegen, dass ich ein bisschen weiterschaue als du. Dass ich mir Gedanken darüber mache, wo dieser Kontakt, der uns eine Hilfe sein soll, hinführen wird. Vielleicht handelst du impulsiver als ich, mehr aus dem Bauch heraus, und glaubst deshalb, dass ein Treffen das Beste für uns wäre.
Aber sag mir, Simon, was geschieht dann? Glaubst du, dass ich mich einfach so auf einen anderen Mann einlassen kann? Dass mir dieses schreckliche Drama, das uns beide verbindet, genügt, um ein neues Leben anzufangen? Dass ich, was auch immer war, hinter mir lassen kann, nur weil sich unsere Erinnerungen, unsere Schmerzen ähneln?
Die Dinge sind noch immer so schwer für mich. Ich habe immer wieder das Gefühl, mich in einer Art Parallelwelt zu befinden, fast so, als nähme ich am wirklichen Leben gar nicht teil. In diese Parallelwelt passen die Briefe an einen eigentlich Fremden ganz gut, aber ich bin nicht sicher, ob meine kleine Welt stark genug für einen intensiven realen Kontakt ist. Für einen Menschen aus Fleisch und Blut, der mehr von mir erwartet, als ich jetzt geben kann.
Vielleicht wäre ich in der Lage, einen Schritt in die echte Welt zu machen, wenn du in der Lage wärst, mir eine Frage zu beantworten, denn diese Frage ist es, die mich seit der ersten Begegnung mit dir beschäftigt. Anfangs unbewusst, doch von Tag zu Tag bewusster: Sag mir, Simon, wie kann die Anwesenheit eines Menschen jemals die Abwesenheit eines anderen ausgleichen?
Solange du mir keine Antwort auf diese Frage geben kannst, kann ich dir auch keine auf deine geben.
Nita
*
Liebe Nita,
ich habe lange überlegt, was ich dir auf deine Frage antworten soll, doch die Wahrheit ist, dass ich die Antwort darauf nicht kenne. Vielleicht gibt es auch gar keine Antwort darauf. Ich verstehe nur nicht, warum du es als Voraussetzung dafür nehmen willst, ob wir uns wiedersehen.
Ich könnte in den Laden kommen, vor dem Eingang auf dich warten oder mit Hilfe von Frau Jäger deine Telefonnummer herausbekommen. Aber all diese Dinge widerstreben mir, Nita, denn ich möchte, dass du es willst. Dass du selbst diejenige bist, die den Ort und die Zeit eines neuen Treffens vorschlägt.
Die Tatsache, dass ich noch immer der festen Überzeugung bin, dass wir uns gegenseitig eine Stütze sein können, auch über diese Briefe hinaus, bedeutet nicht, dass ich von dir erwarte, dass du mich von einen Tag auf den anderen in dein Leben lässt. Ich schaue nicht, so wie du, in eine mögliche Zukunft, ich denke auch nicht darüber nach, wohin uns ein Treffen führen würde. Um ehrlich zu sein, will ich gar nicht wissen, wohin uns ein oder mehrere Treffen führen würden. Ich weiß nur, dass sich dieser Gedanke richtig anfühlt - und dass es beinahe lächerlich ist, wie viel Zeit wir jetzt schon damit vergeudet haben, uns über die Vor- und Nachteile einer erneuten Begegnung zu unterhalten.
Nein, Nita, ich kann dir keine Antwort auf deine Frage geben. Keine Antwort zumindest, die sich richtig anfühlt. Aber willst du es wirklich davon abhängig machen, wie es weitergeht?
Simon
*
Lieber Simon,
ich habe dir diese Frage weder gestellt, um dich zu testen, noch mit dem Gedanken im Hinterkopf, dadurch einem Treffen aus dem Weg gehen zu können. Ich habe sie dir gestellt, weil ich selbst nicht in der Lage war, eine Antwort zu finden, und weil ich eine Antwort brauche, um mich mit dir treffen zu können. Denn auch wenn es dir (in vielleicht typisch männlicher Natur) gelingt, nicht weiter als bis zum ersten Treffen zu denken, bedeutet es nicht, dass ich mich dieser Gedankenlosigkeit anpassen kann. Ich denke nun mal weiter, und ich sehe weiter, Simon. Vielleicht sehr viel weiter, als du es tust. Und genau dieser Blick in die Ferne bringt mich immer wieder zu dieser Frage zurück. Eine Frage, die du mir nicht beantworten kannst. Eine Frage, auf die es vielleicht gar keine Antwort gibt.
Ich liebe Patrick. Ich liebe ihn wie am ersten Tag. Heute vielleicht sogar mehr als damals. Seine Abwesenheit raubt mir in schwachen Momenten noch immer den Verstand und macht es mir bis heute unmöglich,
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