Das Glück wartet in Virgin River
fuhr Nathaniel hinter seinem Rücken fort, während Clay den Sattelgurt festzog.
„Dann musst du mir in den Rücken schießen. Das ist die einzige Möglichkeit, mich davon abzuhalten.“
Clay ging noch einmal in die Sattelkammer und kehrte mit einer zusätzlichen Decke zurück, einer großen Taschenlampe, einem Seil, zwei Flaschen Wasser und ein paar Müsliriegeln, womit er die Satteltaschen füllte. Er zog sich seine dick gefütterte Jeansjacke über und wollte Streak gerade durch die Stalltür führen, als er das Klappern von Hufen hörte. Nathaniel stellte sich neben ihn, und beide sahen sie zu, wie Blue Rhapsody über den Weg neben der Ostwiese auf den Stall der Klinik zulief. Sie war gesattelt. Und ohne Reiterin.
„Verdammt“, sagte Nathaniel.
Clay stellte den Fuß in den Steigbügel und saß auf. „Ruft den Rettungsdienst an. Wahrscheinlich haben sie eine Million Anrufe und sind viel zu beschäftigt, um sich auch um uns zu kümmern, aber mach’s trotzdem. Dann fahrt mit den Quads raus. Nehmt Decken mit und Wasser. Es ist kalt heute Nacht.“ Und damit trieb er Streak an. Er verließ den Stall durch die Vordertür und schlug den Weg ein, auf dem Blue gerade zurückgekehrt war.
Nathaniel führte die Stute in den Longierzirkel, während Clay mit Streak im Galopp über den Weg davonritt.
Clay sah auf seine beleuchtete Uhr; es war fast acht, und hier draußen war es dunkel und kalt. Er konnte nicht davon ausgehen, das Glück zu haben, sie auf einem der Reitwege im Tal zu finden, die Annie für ihre jungen Anfängerinnen nutzte. Er hätte keine Zeit verlieren dürfen. Lilly würde mit ihrem Pferd Wege eingeschlagen haben, die eine größere Herausforderung darstellten. Daher beschloss er, sich in nordöstlicher Richtung zu halten. Mit der Taschenlampe leuchtete er den Weg vor sich aus und suchte die Wegränder auf beiden Seiten nach einer abgeworfenen Reiterin ab. Zugleich rief er ihren Namen, für den Fall, dass siesich in eine Felsspalte oder zwischen dichtes Gestrüpp gekauert haben sollte, um sich warm zu halten.
Zwei Stunden hatte er nach ihr gesucht, als sie ihm auf dem Weg entgegenkam. Er richtete die Taschenlampe auf sie und trieb Streak zum Galopp an. In Sekundenschnelle stand er mit dem Pferd vor ihr und stieg ab. Sie hatte eine Beule am Kopf, groß wie ein Gänseei, Gras und Blätter in den Haaren, einen großen unmodischen Riss in einem Bein ihrer Jeans … und machte ein sehr finsteres Gesicht.
„Das konntest ja nur du sein“, sagte sie und sah zu ihm hoch. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass du mir immer einen Schritt voraus bist. Ich wollte dich im Stall treffen.“
Er zog sich den Hut vom Kopf. „Sieht aus, als hätte Blue dich bei dem Erdbeben abgeworfen.“
„Ich weiß nicht, wo sie steckt. Wir werden sie suchen müssen.“
„Sie ist nach Hause gelaufen, Lilly.“ Er trat auf sie zu. „Du bist verletzt.“
Sie fasste sich an den Kopf. „Ich bin vom Pferd und dann den Abhang runtergefallen. Das wird schon wieder.“
„Wenn wir dich nach Hause gebracht haben.“ Er zog seine Jacke aus und legte sie ihr um die Schultern.
„Ich brauche deine Jacke nicht“, erwiderte sie, und obwohl sie deutlich zitterte, versuchte sie, sich ihm zu entwinden.
„ Níwe !“, sagte er in Navajo. Stopp! Und zog die Jacke fester um sie zusammen. Dann nahm er sich nacheinander ihre Hände vor und untersuchte ihre Handflächen. „Du hast versucht, den Fall zu bremsen?“
„Hat nicht ganz so geklappt, wie ich es mir gewünscht hätte.“
Er zog die dunklen Augenbrauen hoch und musste einfach über sie lächeln. „Ich finde, du bist in einer sehr zickigen Stimmung für jemand, der gerade gerettet wurde.“
„Mag sein, dass ich etwas stinkig bin, weil ich über einen Berghang geschleudert wurde. Kannst mich ja verklagen.“
Er zog eine Flasche Wasser aus der Satteltasche, ein Taschentuch aus der Hosentasche und säuberte ihre Hände. Anschlie-ßendverschloss er die Flasche und steckte sie sich vorn in die Hemdtasche. „Ist es nicht erstaunlich, dass es bei allem immer auch eine helle Seite gibt? Jetzt werden wir mal ein paar Sachen auf den Tisch legen.“
„Nun, falls du darauf aus warst, dir ein unfreiwilliges Publikum suchen und den Helden zu spielen, ist dir das gelungen. Aber es ist nicht das, was ich geplant hatte.“
Er wickelte das feuchte Taschentuch um die Hand, die am meisten gelitten hatte. „Davon bin ich überzeugt, und ich wette, es ist Jahre her, seit du zuletzt
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