Das Glück wartet in Virgin River
Witterung aufnahm, hob Clay den Kopf. Diesen Motor kannte er. „Gabe“, flüsterte er. „Entschuldige mich, Lilly.“ Ohne ihn komplett abgebürstet zu haben, führte er Streak in die Hengstbox und verließ den Stall.
Lilly sah ihm nach, wie er mit großen, schwungvollen Schritten hinausging. Sie hörte, wie seine Stiefelabsätze auf den Boden klackten, und beobachtete, wie sein schwarzer Pferdeschwanz auf dem Rücken schwang. „Du warst sowieso fast fertig“, erklärte sie dem Pferd.
Sie wischte sich die Hände an einem Tuch ab und folgte Clay nach draußen. Von der Stalltür aus konnte sie sehen, wie ein junger Mann an der Fahrerseite aus einem kleinen grünen Truck sprang, auf Clay zulief und ihn fest umarmte. Gegenseitig klopften die beiden sich kräftig auf den Rücken. Der junge Mann sah aus wie ein jüngerer Bruder von Clay. Er war genauso groß und fast ebenso breitschultrig wie er, und auch bei ihm baumelte ein schwarzer Pferdeschwanz auf dem Rücken. Er trug Jeans, Jeansjacke, Stiefel und Hut. Schließlich hielt Clay den jungen Kerl an den Oberarmen ein Stück von sich weg, musterte ihn von oben bis unten und sagte etwas. Der junge Mann lachte, dann schielte er neugierig über Clays Schulter, und Clay drehte sich um.
„Lilly. Komm doch mal einen Augenblick her. Ich möchte dir meinen Sohn Gabe vorstellen.“
Die Verblüffung stand ihr im Gesicht geschrieben, aber sie ging auf die beiden zu. Sohn? Wie war das möglich? Clay war erst vierunddreißig und dieser junge Mann war doch viel zu alt dazu.
„Gabe, das ist Lilly. Sie liefert uns zweimal in der Woche das Futter aus der Futterhandlung ihres Großvaters. Und neuerdings hilft sie mir auch bei einem schwierigen Pferd. Lilly, mein Sohn Gabe.“ Clay legte Gabe einen Arm um die Schultern und zog ihn zu sich. „Er wird in Grace Valley bei meiner Schwester wohnen und hier die Highschool abschließen. So können wir endlich einmal etwas mehr Zeit miteinander verbringen, zumal er stundenweise auch hier arbeiten wird.“
Lilly reichte ihm die Hand und lächelte ein wenig unsicher. „Ich freue mich, dich kennenzulernen. Wow. Ich habe dich für seinen jüngeren Bruder gehalten.“
Gabe lachte und ergriff ihre Hand. „Dad war kaum siebzehn, als ich geboren wurde. Er hat früh angefangen, aber wohl kaum mit Absicht.“
„Mit Absicht nicht, aber ich habe es nie bedauert“, stellte Clay klar. „Gabe ist in der Familie Tahoma aufgewachsen, also bei meinen Eltern, Tanten, Onkeln und vielen Cousins. Leider war ich nicht die ganze Zeit dabei, aber ich glaube, er hat eine gute Erziehung genossen.“
„Ganz bestimmt“, bestätigte Gabe lächelnd. „Und du warst da, sooft du konntest.“
Lilly schwieg einen Moment, bevor sie zu Clay sagte: „Offenbar steckt mehr in dir, als man auf den ersten Blick erkennen kann.“
„In jedem steckt mehr, als man auf den ersten Blick erkennen kann“, erwiderte Clay. „Ich hoffe, du verzeihst mir, aber ich möchte ihn Nathaniel und Annie vorstellen, dann fahre ich ihm zum Haus meiner Schwester hinterher. Kann ich heute noch irgendetwas für dich tun?“
„Ich werde Streak füttern, dann musst du ihn nur rausbringen, bevor du losfährst.“
„Danke.“
„Schön, dass du hier bist, Gabe. Herzlich willkommen.“ Alssie von den beiden wegging, dachte sie: Wow, er hat noch viel mehr mit dem Teenager-Werwolf gemein, als ich dachte. Auch er hat als Teenager erfahren müssen, dass ein Baby unterwegs war … Aber der Unterschied ist – er ist nicht davor weggelaufen.
Zwei Tage hielt Lilly sich von der Tierklinik fern, um Clay, seinem Sohn und auch dem Pferd ein wenig Zeit zu lassen. Dann aber erlaubte sie sich, wieder hinzufahren, auch wenn sie kein Futter liefern musste. Sie wollte einfach unbedingt mehr über Clay in Erfahrung bringen und wissen, was ihn veranlasst hatte, sich in so jungen Jahren als Vater zu engagieren. Wenn sie ehrlich war, gab es eigentlich eine Menge, was sie noch über Clay wissen wollte.
Der Longierzirkel und die Koppel waren verlassen, also ging sie in den Stall. Dort konnte sie auch niemanden sehen, hörte allerdings ein schwaches Schleifgeräusch und ein leises Pfeifen. Zuerst schaute sie in Streaks Box nach, die jedoch leer war. Dann fand sie Gabe, der die Box eines der Jensen-Vollblüter ausmistete, und klopfte kurz an das Holz.
Gabe hob den Kopf und lächelte. „Hey, Miss Yazhi. Dr. Jensen ist zu einer Farm rausgefahren, um nach einem alten Stier zu schauen.“
Sie richtete den
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