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Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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solange fort?«
    Das Gesicht der Bekannten nahm einen überraschten Ausdruck an. »Ich war doch nur …«
    Er umklammerte ihre Schultern. »Was hast du besorgen müssen?«
    »Schweinefett, mein Lieber. Falls das Kind noch etwas klein sein sollte, braucht es viel Wärme.« Ihre Miene wurde weicher. »Nun beruhige dich, Baldo, ich muss wieder nach oben.«
    Sein Griff wurde fester. »Lass mich wenigstens für einen kurzen Moment hochgehen. Ich muss doch zu ihr.«
    »Nein. Männer haben bei einer Geburt nichts verloren. Hast du die Tücher, den Essig und das Wasser?«
    Baldo reichte ihr alles und konnte nur regungslos mit ansehen, wie Gerlin mit den Habseligkeiten die Stufen ins Obergeschoss hinaufeilte. Er blickte ihr nach und schlug mit der Faust auf den Küchentisch. Schwer sank er auf einen Stuhl und barg den Kopf auf der Tischplatte. Es war viel zu ruhig im Haus, nicht einmal Schritte oder leise Stimmen waren zu hören. Die Zeit schien nicht vergehen zu wollen. Er musste raus, an die frische Luft.
    Baldo riss seinen Umhang vom Haken und stürzte ins Freie. Schneeflocken rieselten lautlos hinab, benetzten Haare und Gesicht. Die Luft war frostig kalt und stach beim Atmen in der Lunge. Doch ihm half es, seine Gedanken zu ordnen. Alle Tage wurden Kinder geboren, wie nur hielten seine Leidensgenossen es aus, wenn ihre Weiber das fünfte oder sechste Mal ein Kind zur Welt brachten? Gewöhnten sie sich gar an diese lähmende Furcht, oder war dieser Vorgang für sie eines Tages ebenso alltäglich wie das Feuermachen oder das Scheuern der Fußböden? Baldo schauderte, und er kaute auf seinem Daumennagel herum. Eine lästige Angewohnheit, die er eigentlich längst abgelegt hatte.
    Er wusste jedenfalls, er würde verrückt werden vor Sorge, aber vielleicht waren seine Gefühle für Cristin auch allzu tief. Allein die Vorstellung, welchen Schmerz sie möglicherweise erlitt, tat ihm körperlich weh. Ihn fröstelte plötzlich. Oh mein Gott, durchfuhr es ihn, der Kamin! Das Feuer ist bestimmt heruntergebrannt. Ich muss es schüren. Baldo lief zurück und war schon im Begriff, die Treppe hochzustürzen. Da drang ein spitzer, durchdringender Schrei an sein Ohr, und er verharrte mitten in der Bewegung. Der Laut hallte in ihm nach, schien ihm jeden Blutstropfen aus dem Gesicht zu treiben. Im nächsten Moment war er an der Tür und hämmerte gegen das Holz. Sie öffnete sich nur wenige Augenblicke später.
    »Was … geht es ihr gut? Bitte …«
    Gerlin warf ihm einen strafenden Blick zu. »Warte eine kleine Weile, Baldo, ja? Bald darfst du zu ihr.«
    Die Tür wurde ihm mit einem dumpfen Geräusch vor der Nase zugeschlagen, und er presste das Gesicht dagegen. Dann ein zweiter, lang gezogener Schrei. Sein Innerstes krümmte sich zusammen. Baldo entfuhr der gröbste Fluch, den er jemals über die Lippen gebracht hatte. Doch was sollte es ihn kümmern, da ja offensichtlich niemand auf seine Gefühle Rücksicht nahm? Mit zusammengepressten Lippen lehnte er sich gegen die kühle Wand und horchte, aber mehr als das Murmeln einer Frauenstimme drang nicht zu ihm herüber. Ein dritter Schrei, doch diesmal klang es eher wie das Meckern eines protestierenden Zickleins. Baldo erstarrte, er getraute sich kaum zu atmen. Als Gerlin endlich wieder vor ihm stand, musterte er ängstlich ihre Miene.
    »Ein kleiner Junge. Herzlichen Glückwunsch!« Sie strahlte übers ganze Gesicht.
    Unvermittelt wurde ihm schwarz vor Augen. Das Nächste, was er wahrzunehmen imstande war, war ein Klatschen gegen seine Wange.
    »Du bist mir ja ein Held!«, hörte er Gerlins leises Lachen dicht über ihm. Er fand sich auf dem Fußboden wieder und rappelte sich hoch, wollte etwas erwidern, doch sie schnitt ihm das Wort ab. »Es ist alles bestens. Cristin und der Kleine sind wohlauf. Die beiden werden jetzt fein gemacht, damit du sie gleich besuchen kannst.«
    Ungestüm riss er die Freundin in die Arme, die Brust wurde ihm weit und wollte bersten vor Freude, doch sie machte sich kichernd von ihm los.
    »Nicht so stürmisch, sonst liegst du gleich wieder am Boden. Das kann ich nun wirklich nicht gebrauchen!«
    »Gut, aber verrate es bitte nicht Cristin, ja?«

36
    D as Herz klopfte Baldo bis zum Hals, als er endlich durch die Tür schritt. Einen Moment lang blieb er reglos stehen, um die besondere Schönheit des Augenblicks tief in sich aufzunehmen. Cristin lächelte, ihre Augen blitzten, und ihre Wangen waren sanft gerötet. Das schöne kupferfarbene Haar hing ihr wirr um den

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