Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
auf ihre Mutter richtete. Ihre Augen wurden groß.
»Mama, bist du krank?«
»Alles wird gut«, erklärte Baldo erneut, und an Minna gewandt: »Hol eine Wehfrau! Rasch!«
»Was? Jetzt? Ihr meint?«
»Ja, und nun lauf so schnell, wie du noch nie gelaufen bist.«
»Bei allen Heiligen!«
Die Lohnarbeiterin machte auf dem Absatz kehrt und stürzteaus der Küche. Baldo setzte Elisabeth ab und beugte sich über seine Frau, deren Lippen sich lautlosbewegten.
»Liebling, geht es wieder? Kannst du reden? Was ist hier passiert?«, fragte er. »Wer hat dir das angetan?«
Ihr Blick spiegelte das Grauen des Erlebten wider. Baldo konnte sehen, wie sich ihr Bauch anspannte. Furcht wallte in ihm auf .
»Mirke Pöhlmann.«
Er brauchte einen Augenblick, um zu begreifen. »Mirke? Wieso?«
»Sie wollte mich umbringen.«
»Umbringen«, echote er verwirrt. »Aber warum?«
»Sie ist irre, sie hasst mich.« Cristin presste die Hände auf den vorgewölbten Leib, eine neue Wehe schien zu nahen. Als sie nach einer Weile verebbte, bemerkte BaldodieSchweißperlen auf ihrer Stirn. Sie befeuchtete ihre trockenen Lippen.
»Lump! Ich habe ihn winseln gehört. Was ist mit ihm?«
»Er … es geht ihm gut«, log er. »Cristin, du kannst hier nicht bleiben. Ich werde dich in die Kammer tragen.«
Und dann nach meinem Hund sehen, fügte er in Gedanken hinzu. Bitte, er darf nicht sterben! Lump ist nicht nur ein Hund, er ist unser Freund!
Während er seine Frau die Treppe hinauftrug, hörte er es unten an die Haustür klopfen. Er stieß die Kammertür mit dem Fuß auf, legte Cristin auf das Bett und küsste sie auf die Stirn. Dann lief er, jeweils zwei, drei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunter und riss die Haustür auf.
»Was ist denn bei euch los?« Schon schob sich Gerlin Schusteran ihm vorbei in den Flur. »Minna ist gerade an mir vorbeigelaufen, als wäre der Teufel hinter ihr her.«
Ihr Blick traf den reglos in seinem Blut liegenden Hund, und die junge Frau mit dem runden, von dunkelbraunen Haaren umrahmten Gesicht schrie auf.
Baldo fasste nach ihrem Arm und zog sie mit sich in die Küche, wo Elisabeth still auf einem Stuhl saß.
»Was ist geschehen?«, stieß Gerlin kreidebleich hervor.
»Das erkläre ich dir später«, antwortete er düster. »Ich könnte deine Hilfe gebrauchen. Hast du etwas Zeit?«
Sie hielt ihn fest. »Ist etwas mit Cristin?«
Er überlegte kurz. »Hör zu, Gerlin. Es sieht so aus, als ob das Kind kommen will. Ich habe Minna nach der Wehfrau geschickt. Wenn du helfen willst, dann setz dich zu Cristin. Ich kümmere mich solange um Elisabeth und Lump.«
Veit Schusters Frau nickte und eilte die Stufen ins Obergeschoss hinauf. Baldo trat zu seiner Tochter und hockte sich neben sie. Wortlos schlang die Kleine die Ärmchen um ihn, und er drückte sie ein paar Herzschläge lang an sich.
»Mein Schatz, Papa muss jetzt nach Lump sehen«, erklärte er sanft. »Kann ich dich hier in der Küche allein lassen?« Elisabeth nickte ernsthaft. »Ist Lump sehr krank?«
Ein Kloß bildete sich in seiner Kehle. »Ja, Schatz.«
Mehr brachte er nicht heraus. Er erhob sich und durchmaß die Küche mit drei schnellen Schritten. Als er sich im Flur neben den Hund kniete und dessen breite Stirn tätschelte, öffnete das Tier die Augen und winselte. Sein Blick berührte Baldo bis ins Innerste.
»Bleib bei uns « , flüsterte er.Minna stürmte in Begleitung einer Frau herein, deren Rücken krumm von jahrzehntelanger Arbeit war. Sie trug ein Bündel in der Hand, das ebenso wie die Mäntel, Hauben und Stiefelder beiden Frauen mit einer feinen Schneeschicht bedeckt war.
»Hier ist die Wehfrau, Herr Schimpf«, stieß Minna atemloshervor. »Wie geht es der Deern?«
»Gerlin Schuster ist bei ihr«, gab Baldo zurück, dann wendete er sich der Hebamme zu. »Die Kammer ist oben, macht schnell!«
Ein erschreckter Blick der Frau traf den Hund, dann eilte sie die Stufen hinauf. Minna folgte ihrem Herrn in die Küche, wo Elisabeth am Fenster stand und in das Schneetreiben hinausblickte. Als Baldo näher trat, sah er, dass dicke Tränen über ihre Wangen kullerten. Das Mädchen stürzte auf ihn zu. »Was ist mit Mama und mit Lump? Papa, ich hab Angst!« Der kleine Körper bebte.
»Elisabeth«, sprach Minna das Kind atemlos an, »ich muss noch einiges auf dem Markt besorgen. Kommst du mit?« Sie streckte die Hand nach dem Mädchen aus und warf Baldo einen eindringlichen Blick zu. »Und Ihr geht zu Lump und seht zu, was Ihr für
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