Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
unweit von St. Nicolai, sich die Goldspinnerei befand. Cristin würde sich freuen. Hinter ihm auf dem Wagen lagen fünf Ballen Woll- und Seidenstoff von unterschiedlicher Farbe und Beschaffenheit sowie ein sorgfältig verschnürtes Päckchen Häutchengold. Von weitem erkannte er eine Gestalt, die in einen dunklen Mantel gehüllt war und eine Haube tief ins Gesicht gezogen hatte. Sie humpelte heftig. Er blinzelte durch die heftiger fallenden Schneeflocken. Die Person hatte es offenbar eilig, bog nun um eine Ecke und entzog sich seinen Blicken. Sie rollten an Veit Schusters Werkstatt vorbei, Baldo zog an den Zügeln und brachte das Pferd zum Stehen.
»Seht nur.«
Minna wies auf die Fassade des Hauses. Die Haustür der Schimpfs stand zwei Handbreit offen. Cristin hielt sie stets verschlossen, oft vergewisserte sie sich mehrfach, ob die Riegel auch wirklich vorgeschoben waren. Mit einem Satz sprang Baldo vom Kutschbock. Nur zwei Schritte, und er war an der Tür, um sie vollends aufzustoßen. Doch dies war nicht möglich. Irgendetwas oder irgendjemand lag dahinter! Er fluchte und stemmte sich gegen das schwere Eichenholz. Nur mit äußerster Kraftanstrengung ließ sich die Tür ein Stück weiter öffnen, damit Baldo den Kopf hindurchstecken konnte .
»Nein!«, hörte er sich selbst zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorstoßen.
Lump lag winselnd in einer Blutlache hinter der Tür. Vorsichtig schob er sie so weit auf, dass er in den Flur gelangen konnte. Mit angehaltenem Atem beugte er sich über den massigen Körper des Tieres.
»Lump«, flüsterte er, »wer hat dir das angetan?«
Er richtete sich auf und starrte auf eine Spur von Blutflecken, die sich über den Flurboden zog. Cristin! Er musste zuerst zu ihr. Tränenblind stürzte Baldo auf die Küchentür zu und riss sie auf. Ein Stöhnen entrang sich seiner Kehle undvermischte sich mit Minnas Aufschrei, die ihm gefolgt war und die Hände vor den Mund schlug.
Cristin lag neben dem Tisch. Ihr Haar warblutverschmiert,die Augen geschlossen. Er warf sich neben sie, legte das Ohr an ihre Brust. Gott sei Dank, sie lebte.
»Ich sehe nach Elisabeth!«, hörte er Minna rufen.
»Und nach dem Hund«, rief Baldo ihr nach.
Gleich darauf polterten schwere Schritte die Treppe hinauf.
»Verdammt, was ist …«, stammelte er, während er immer wieder über Cristins Stirn und Wangen strich.
Plötzlich flatterten ihre Lider. »Baldo«, kam es leise zwischen den blutleer wirkenden Lippen hervor.
Er schluckte. »Ich bin da, mein Liebling. Alles wird gut.«
»Bitte hilf mir.«
Cristin ergriff seinen Arm, und er zog sie auf die Füße. Sie taumelte, holte tief Luft.
Baldo unterdrückte das Zittern seiner Glieder ebenso eisern wie seine drängenden Fragen. Er sah sich in der Küche um, registrierte das Blut auf dem Fußboden und an den Küchenspinden. Sanft drückte er seine Frau auf einen der Stühle, nahm einen Becher aus dem Schrank, füllte ihn mit Brunnenwasser und hielt ihn ihr an die Lippen.
»Geht es wieder, Liebling?«
Sie nickte und nahm einen tiefen Schluck.
Wo, verflixt noch mal, bewahrte seine Frau nur die Küchentücher … Er riss ein Leinentuch aus einem der Schränke und tupfte damit das Blut an ihrer Kopfverletzung ab.
»Tut dir sonst noch was weh?«
Ihre Augen waren noch vom Schock verhangen, doch sie schüttelte den Kopf. »Nichts weiter, nur der Rücken, ich muss … muss beim Fallen auf dem Rücken gelandet sein.«
Baldo befeuchtete ein zweites Tuch mit Wein aus dem Krug, den er auf den Tisch gestellt hatte, und legte es auf die noch immer blutende Wunde.
»Schau nicht hin, Liebes, ich will nicht, dass du wieder ohnmächtig wirst.«
Cristin lächelte mühsam. Sie verstand die Andeutung nur allzu gut, denn sie konnte kein Blut sehen. Sie schwiegen eine Weile, während Baldo sich um ihre Kopfwunde kümmerte. Da nahm ihre Miene plötzlich einen angestrengten Ausdruck an, und ihre Lippen wurden schmal. Eine Hand auf ihren Leib gepresst, verlor ihr Gesicht auf einmal jede Farbe. Mit geweiteten Augen starrte sie ihn an.
»Dieser Schmerz«, stieß sie hervor.»Ich glaube nicht«, ihre Züge verzerrten sich, »dass es der Sturz war. Das sind Wehen.«
»Bist du sicher?« Er rieb sich übers Gesicht.
»Es ist wie damals, wie bei Elisabeth«, kam es noch über ihre Lippen.
In diesem Moment stürmteMinna in den Raum, Elisabeth auf dem Arm, die sofort die Arme nach ihrem Vater ausstreckte. Er erhob sich und drückte die Kleine an sich, deren Blick sich
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