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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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geschah, hatte der Soldat ein Messer gezogen und zugestochen. Ein Schrei gellte durch die Nacht, in dem sich die Stimmen von Mutter und Tochter mischten, dann sank Walburga Fürnagl nieder und brach über dem Leichnam ihres Mannes zusammen. Der Engländer stieß ein Knurren aus und begann nun, auch sie zu durchsuchen. Gisela wollte ihn daran hindern, doch ihre Beine versagten ihr den Dienst, und sie sank zu Boden.

5.
    W ährend Gisela und ihre Mutter nach Wachtmeister Fürnagl suchten, saß Walther neben Reint Heurich, hielt dessen schlaff gewordene Hand und ließ seinen Tränen freien Lauf. Der Soldat war von dem Tag an, an dem er als Trommelbub ins Regiment gesteckt worden war, sein Freund und Beschützer gewesen. Nun stand er wieder so allein da wie nach dem Tod der Mutter und wusste nicht, was ihm der nächste Tag bringen würde.
    Der dienstälteste Feldwebel legte ihm die Hand auf die Schulter. »Komm mit, Junge! Der arme Kerl ist doch längst tot. Unser Oberst will dich sehen. Betrag dich aber manierlich und nimm deinen Tschako ab, wenn er mit dir spricht.«
    Mit müden Bewegungen stand Walther auf und folgte dem Mann zu dem Lagerfeuer, um das sich die überlebenden Offiziere des Regiments und mehrere andere Kommandeure versammelt hatten. Einer von ihnen erklärte gerade, dass Feldmarschall Blücher beabsichtige, die Schlacht nach dem Ort Belle-Alliance zu nennen.
    »Es war ein überwältigender Sieg für uns«, setzte er mit grimmiger Zufriedenheit hinzu. »Das müssen auch die Engländer einsehen. Wären wir nicht rechtzeitig erschienen, hätte Napoleon sie in Stücke gehauen und in der Pfeife geraucht.«
    »Soviel ich gehört habe, will der Herzog von Wellington der Schlacht einen eigenen Namen geben, nämlich nach dem Dorf Waterloo«, wandte ein anderer Offizier ein.
    »Pah, wollen kann er viel! Aber wir Preußen haben das erste Anrecht, den Namen zu bestimmen!« Der Sprecher wollte noch mehr sagen, doch da entdeckte Oberst Renitz Walther und winkte dem Jungen, näher zu treten.
    »Komm her!«
    Walther gehorchte und nahm den Tschako ab.
    »Du bist doch der Sohn meines Försters Fichtner!«, fuhr der Oberst fort.
    »Ja, das schon, aber dann war er Wachtmeister hier im Regiment«, antwortete Walther.
    »Ein guter Mann! Hätte ihn gerne zum Offizier befördert. Ging aber nicht, da er nicht von Adel war. Schade, dass er in Russland gefallen ist.« Graf Renitz seufzte und nahm einen Schluck aus einem Becher, den ihm sein Bursche reichte.
    Als Walther ihn trinken sah, meldeten sich sein Durst, sein Hunger und seine Erschöpfung mit einem Mal so stark, dass er taumelte.
    Der Graf hielt ihn fest. »Es war etwas zu viel für einen Jungen wie dich, nicht wahr?« Er reichte ihm seinen Becher. »Trink! Das hast du dir verdient. Deine Mutter ist auch tot, habe ich gehört.«
    Der abrupte Themenwechsel verwirrte Walther. Er trank und merkte dann erst, dass der Becher mit Wein gefüllt war.
    Der Oberst sah ihn nachdenklich an. »Zuerst müssen wir diesen Krieg zu Ende bringen, und so lange bleibst du als Trommelbub in meinem Regiment. Danach werden wir sehen, was wir mit dir machen. Ich werde dich ausbilden lassen! Das bin ich dir schuldig. Ohne dich hätte der Franzose mich mit seinem Bajonett aufgespießt, und das werde ich dir nicht vergessen, Junge. Diebold, sorge dafür, dass er etwas zu essen bekommt!«
    Der letzte Satz galt seinem Sohn, der Walther mit missmutiger Miene musterte.
    Es passte Diebold von Renitz überhaupt nicht, dass sein Vater solche Umstände mit einem lumpigen Trommelbuben machte. Gleichzeitig ärgerte er sich, dass er nicht den rettenden Schuss abgegeben hatte, denn dann wäre er nun ein Held. So aber behandelte sein Vater ihn weiterhin wie einen Laufburschen.
    Er gehorchte jedoch und befahl Walther mitzukommen. Nach wenigen Schritten schob er den Jungen an einen Feldwebel ab, der Walther schließlich zu einem Karren brachte, bei dem der Quartiermeister des Regiments gerade Käselaibe und Würste von zwei Soldaten zählen ließ und die Menge in sein Buch eintrug.
    »Ein Geschenk der Franzosen«, meinte Walthers Begleiter und wandte sich an den eifrig schreibenden Mann. »Gib uns ein Stück Käse und eine Wurst. Es brauchen nicht die kleinsten zu sein.«
    Der Quartiermeister legte die Feder beiseite und blickte auf. »Ich kann noch nichts ausgeben. Erst muss ich alles sorgfältig eintragen und bestimmen, wie es verteilt wird.«
    »Es ist der Befehl unseres Obersts, Walther etwas zu essen zu

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